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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman
Autoren: Greg Bear
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ausweiche, sie ist so groß wie mein Kopf, wabert sie zuerst, leuchtet danach im Windschatten meiner Bewegung auf und entleert sich zum Teil beim Zusammenstoß mit einem langen, harten Gegenstand mit zackigen, scharfen Kanten, vermutlich Teil einer zerstörten Maschinerie. Das Ding ist wirklich riesig, mindestens dreimal so lang wie ich. Nachdem sich die Blase an ein Ende gehaftet hat, gleitet sie an dem Teil hoch. Das erinnert mich an Farbe, die einen Stecken überzieht, nur dass sie hier von unten nach oben glitscht.
    Auf Grundlage meiner spärlichen Erinnerungen und der Logik versuche ich, im Kopf eine Art Diagramm
oder Karte meiner Umgebung zu erstellen. Der Korridor – genauer gesagt, die Röhre – umschließt offenbar irgendetwas, das ich für das Schiffsinnere halte. Vage kann ich mir vorstellen, dass sich das Schiff dreht und mich dabei nach unten, gegen die äußere Röhrenwand drückt. Bei der Drehung scheint sich der Korridor – oder die Röhre – nach oben zu wölben. Oben wäre dann binnenbords, unten außenbords.
    Mir fällt auf, dass dieser mit kaputten oder leblosen Dingen gefüllte Hohlraum vom inneren Kreis des Korridors abzweigt – also von der Region, die früher OBEN bedeutete, ehe alles ins Schwanken geriet. Und das bedeutet, dass dieser Hohlraum im Schiffsinneren liegt. Ich treibe in einem Abfallhaufen, einer Müllhalde umher. Doch so unnütz – überflüssig wie der sonstige Schrott – ich auch sein mag: Hier bin ich genau richtig. Wozu all dieser Schrott einstmals gedient haben mag, ist mir ein Rätsel. Einiges davon hat früher anscheinend mal ein Leben gehabt, denn es sind Wesen, aus denen jetzt die Lebensflüssigkeit heraussickert. Aber nichts in dieser Umgebung kommt mir irgendwie vertraut vor.
    Allerdings kehrt jetzt ein seltsames Gefühl zurück: So etwas habe ich schon einmal erlebt, ich kenne es von früher. Ich weiß, was Schwerelosigkeit bedeutet, habe mich schon oft in Reaktion und Gegenreaktion unter solchen Bedingungen geübt – in der Traumzeit.
    Große Massen stellen auch in der Schwerelosigkeit eine Gefahr dar, denn sie können einen zerquetschen. Doch zugleich können sie auch gute Aussichtspunkte bieten und einem »Spielvorteile« verschaffen. Von großen
Massen kann man sich gut abstoßen und danach davonschweben. Oder man kann sie als Bremsen benutzen, die dem eigenen Flug Einhalt gebieten. Es rührt sie kaum, wenn ich aufpralle. Hingegen kann ich kleinere Massen dazu benutzen, mich selbst in Schwung zu versetzen, indem ich sie fortschleudere.
    Sobald ich die Bewegungen in der Schwerelosigkeit besser beherrsche, werde ich diesen Hohlraum erkunden und eine Bestandsaufnahme seines Inhalts vornehmen, ist vielleicht ganz nützlich. Außerdem stoße ich dabei womöglich auf etwas Essbares. Allerdings waren diese Blasen mit der zähen Flüssigkeit nach meinem Dafürhalten ungenießbar.
    »Du weißt ja nicht mal mehr, wo vorne und hinten ist«, meldet sich eine hohe, zarte Stimme, die direkt in mein Ohr zu dringen scheint. Den Atem kann ich fast im Nacken spüren. Hektisch versuche ich mich umzudrehen, aber ich stecke zwischen zwei Objekten fest. Also stoße ich mich von einem ab, in der Hoffnung, vom anderen abzuprallen, um auf diese Weise zurück zur Öffnung und zur Röhre zu gelangen. Umdrehen kann ich mich nur, indem ich die Arme einziehe und um die Achse rotiere, die von meiner linken Schulter bis zur rechten Hüfte reicht. Jetzt erst gerät die Kleine in mein Blickfeld: Sie schwebt in etwa drei Körperlängen Abstand vor mir und hat ihre Glieder anmutig miteinander verknotet, das heißt, die Beine zum Lotussitz gekreuzt – auch wieder so ein Lehrerwort. Die Arme hat sie vor der Brust verschränkt. Aus ihren großen grauen Augen sieht sie mich leicht enttäuscht an.

    »Du bist ja gar nicht tot«, bemerke ich idiotischerweise.
    »Nein, aber das hier ist tot.« Sie streckt einen Arm aus und deutet auf das große Geschöpf, das mich fast zerquetscht hätte.
    Schließlich gelingt es mir, mich von einer weiteren ausgezackten weißen Masse abzustoßen, die mir so massiv vorkommt wie ein großer Felsbrocken. Langsam gerät das große Ding in Bewegung und drängt dabei andere Brocken und seltsame Gebilde zur Seite. Eines davon ist, wie ich erkenne, Teil eines menschlichen Körpers. Der Kopf ist zur Hälfte weggefressen, die Beine fehlen ganz, und ein Arm reicht nur noch bis zum Ellbogen. Der Schock bringt mich fast vom Kurs ab, aber ich korrigiere ihn gleich, indem ich
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