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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman
Autoren: Greg Bear
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mich von einer schwärzlichen, gummiartigen Masse abstoße – halb so groß wie mein Körper – und eine recht geschickte Drehung vollführe, bis ich langsam vor dem Mädchen hertreibe.
    »Und der ist auch tot«, sagt sie und deutet auf den verstümmelten menschlichen Leichnam. Um ihren Arm hat sie einen Verband aus schmutzigem grauen Stoff gewickelt, der blutdurchtränkt ist.
    »Wollte das Ungetüm euch alle beide fressen?«, frage ich.
    »Nein, das Ding frisst ja auch gar nicht, es räumt nur auf, säubert die Umgebung. Es ist ein Reiniger . Tut mir übrigens leid, dass du noch immer nichts zum Anziehen hast. Diesen Leichnam hab ich schon ausgeplündert. Aber wir finden sicher bald einen anderen, der Hosen trägt.«

    »Du plünderst die Toten aus?«
    »Genau wie jeden anderen, der nicht aufpasst.«
    »Dann ist das hier also eine Müllhalde? Ein Schrottplatz? «
    Sie nickt. »Die Reinigungskräfte schaffen den Abfall hierher. Sogar die eigenen toten Kollegen.« Sie blickt auf das kleine Buch in meiner linken Hand. Ich hab’s geschafft, es die ganze Zeit festzuhalten, denn meinen einzigen Besitz wollte ich auf keinen Fall verlieren. Allerdings war ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um es aufzuschlagen und mir näher anzuschauen.
    »Das gehört mir«, erklärt sie mit wachem, aber traurigem Blick. »Hab’s mir verdient.«
    »Ach ja?« Ich halte mir das Buch nahe an die Augen und zögere, es der Kleinen zurückzugeben. Aus der Nähe fällt mir auf, dass das, was ich für sieben Einkerbungen auf dem Buchdeckel gehalten habe, in Wirklichkeit sieben Gruppen von jeweils sieben Kratzern sind.
    »Ja, ich hab’s mir verdient!«
    Innerlich widerstrebend strecke ich die Hand aus und reiche ihr das Buch. »Woher stammst du eigentlich? «, frage ich.
    »Weiß ich nicht.« Sie drückt das Buch fest an die Brust. Mit ihrer Kleidung, einem losen knallroten Hemd und Shorts, wirkt sie in diesem Hohlraum voll grauer, brauner, schwarzer und schmuddelig-weißer Objekte wie ein greller Farbtupfer.
    »Wie lange bist du denn schon hier?« Es gelingt mir, die Augen so auszuwischen, dass ich wieder die hintere Wand erkennen kann.

    »Wir müssen dich irgendwo hinbringen, wo es Wasser gibt«, erwidert sie, statt meine Frage zu beantworten. »Du solltest es doch eigentlich besser wissen, als dir das Zeug auch noch in die Augen zu reiben. Nicht daran herumwischen!«
    Wasser. Jetzt merke ich, wie durstig ich bin und denke wehmütig an das tropfende Kondenswasser. Ich hätte es mit der Zunge auffangen sollen.
    »Gibt es hier Wasser? Irgendwo in der Nähe?«
    »Könnte sein.«
    »Wo? Hier?«
    »Nein«, erwidert sie unwirsch. »Das hier ist nur ein gutes Versteck.«
    »Wieso hast du mich aus der Kälte geholt?«
    »Weil ich mich manchmal so einsam fühle.« Sie schnaubt. Aber das nehme ich ihr nicht ganz ab.
    »Was ist mit dem Ungetüm passiert, das dich geschnappt hat?«
    » Sie haben’s umgebracht, als er sie aufsaugen wollte.«
    »Und wer sind sie ?«
    »Andere, die nicht so sind wie wir beide. Na ja, ein bisschen ähnlich vielleicht. Hier gibt’s viele Spielarten, aber die meisten sind schlimme Typen.«
    Das beansprucht mein Denken so, dass es schon wehtut. Erneut treibe ich von der Kleinen weg und pralle wegen der Luftströmungen gegen kleine Objekte. So viele Fragen, und dieses kleine Mädchen hat die Rollen mit mir getauscht: Sie ist die kluge Lehrerin, ich ihr gehorsamer Schüler.
    »Wie lange bist du schon hier?«, frage ich erneut.

    Sie zuckt die Achseln. »Nach der 49 habe ich aufgehört zu zählen.«
    49 – das ist sieben mal sieben.
    »Neunundvierzig von was?«
    »So nackt siehst du ziemlich hässlich aus«, weicht sie aus. »Wir müssen hier raus und irgendwas für dich suchen.« Sie löst die Beine aus der Lotus-Position, streckt die Arme aus und benutzt meinen Bauch zu meiner Verblüffung dazu, sich abzustoßen. Während ich nach Luft schnappe und zurückbleibe, schießt sie auf die Röhre zu. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie sie bei all diesem Kuddelmuddel von schwebenden Objekten noch weiß, wo die Öffnung ist. Was soll’s? Ich finde ja auch alles andere völlig unbegreiflich.
    Während ich ihr unbeholfen folge, winkelt die Kleine die Beine an, streckt die Zehen aus, legt die Arme an und wirbelt wie ein kleiner Fisch herum. Geschmeidig macht sie sich lang, um sich irgendwo abzustoßen, oder tritt um sich, um irgendwelche Gegenstände von sich abzulenken.
    »Warte!«, rufe ich ihr hinterher.
    »Mund
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