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Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Titel: Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
Autoren: Jutta Richter
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aufgestanden und hatte plötzlich das Wurstmesser wie einen Dolch in der Hand.
    Ole und ich hielten den Atem an.
    »Lass gut sein, Polly«, beschwichtigte Onkel Fiete. »Ich hab’s ja nicht so gemeint!«
    Er nahm den Kasten mit dem Fernrohr und klappte den Deckel zu. Tante Polly legte das Wurstmesser zurück auf den Tisch. Das Abendessen war beendet.
    Der Hund, der Freitag hieß, stupste mit seiner feuchten Nase an Oles Bein.
    »Dürfen wir noch mit Freitag raus?«, fragte Ole schnell.
    »Ihr dürft«, sagte Tante Polly.
    Kaum waren wir draußen, trat Ole vor die Gießkanne. Der Hund zog den Schwanz ein und sprang zur Seite.
    »Ich hab’s gewusst! Nichts gibt es hier! Keinen Fernseher, kein Schwimmbad, keinen DVD-Player! Und das ist erst der Anfang! Ich will nach Hause. Ich will hier nicht sein!«
    Seine Stimme war ganz klein und zittrig und ich wusste, dass er einen Kloß im Hals hatte. Einen großen dicken Heimwehkloß.
    »Komm«, sagte ich schnell, »wir erforschen jetzt erst mal die Umgebung. Ich wette, da hinten gibt es einen guten Geheimplatz!«
    Ole liebte gute Geheimplätze. Zu Hause hatte er immer die besten Geheimplätze gefunden. Im Garderobenschrank, unter dem Küchentisch, hinter den Müllcontainern, unter der Rolltreppe im Kaufhaus. Manchmal hatte er sie mir gezeigt und dann hatten wir stundenlang dort gesessen, mit einer Tüte Gummibärchen, und waren sicher gewesen, dass uns niemand finden würde.
    »Komm schon!«, sagte ich.
    Der Hund übernahm die Führung. Er lief schnurstracks auf den Hühnerstall zu, wo Long  John Silver immer noch auf der Leiter saß und uns argwöhnisch beäugte.
    Hinter dem Hühnerstall war eine große Wiese. Freitag führte uns durchs hohe Gras direkt unter einen Kirschbaum, der in der Mitte der Wiese stand und über und über mit dicken schwarzroten Knuppkirschen behängt war. Dort blieb er stehen, schaute nach oben und bellte einmal kurz. Ole und ich folgten seinem Blick.
    »Mensch, Katharina«, sagte Ole. »Da hängt eine Strickleiter! Das ist der beste Geheimplatz der Welt!«
    Und dann saßen wir im Kirschbaum und aßen Kirschen. Von hier oben hatten wir einen verdammt guten Überblick. Wir sahen das Haus und den Garten, wir sahen die Wiese mit den Obstbäumen. Ganz hinten konnte ich sogar den Löschteich sehen, der von einem großen Schilfgürtel eingerahmt war und über dem schwarze Mückenschwärme tanzten.
    Der Hund, der Freitag hieß, hatte sich ins Gras gelegt und schaute uns zu.
    »Menschenfresser!«, sagte Ole und spuckte einen Kirschkern aus. »Hätte ich sowieso nicht geglaubt! Gibt es gar nicht, Menschenfresser!«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weiß ich eben!«
    »Und was ist mit Alduin dem Weltenfresser?«
    »Mann, das ist doch nur ein Spiel!«
    Wir hatten das Spiel Stunde um Stunde in der Computerabteilung gespielt. Alduin der Weltenfresser war ein riesiger Drache, der das Land Tamriel verschlingen wollte. Er kam mit Heerscharen von Feuer speienden Ungetümen, die wir alle besiegen mussten, um zum Meistermagier zu werden.
    »Aber wenn das stimmt, was Onkel Fiete erzählt?«
    »Dann hätte sich Tante Polly nicht so aufgeregt!«
    »Oder gerade doch!«
    »Auf jeden Fall sind die beiden oberkrass!«, sagte Ole. Er spuckte noch einen Kirschkern aus. »Und Menschenfresser gibt es auf gar keinen Fall!«
    »Da wäre ich mir mal nicht so sicher, du Hosenschisser!«, sagte Onkel Fiete.
    Ole und ich wären vor Schreck fast vom Baum gefallen. Onkel Fiete stand unten und kaute auf einem Grashalm. Er schnaufte verächtlich.
    »Im Kirschbaum sitzen und große Reden schwingen, das ist wohl alles, was du kannst? Merk dir eins, Kannentreter: Wer meinen Freund Queequeg beleidigt, beleidigt auch mich. Wir sind nämlich Blutsbrüder. Da werde ich ja wohl wissen, ob er ein Menschenfresser ist. Aber du weißt wahrscheinlich nicht einmal, was eine Blutsbrüderschaft bedeutet!«
    »Weiß ich wohl!«, sagte Ole. »Weiß ich ganz genau!«
    »Und dieser Kapitän Ahab?«, fragte ich. »War der nun wahnsinnig oder nicht?«
    »Woher soll ich denn wissen, ob Kapitän Ahab wahnsinnig war?«, murmelte Onkel Fiete. »Komm, Freitag, wir gehen!«
    Am Hühnerhaus drehte sich Onkel Fiete noch mal um.
    »Wenn ihr euch nützlich machen wollt, dann könnt ihr Kirschen pflücken!«, rief er. »Da hängt ein Eimer im Baum!«

 
    ACHTES KAPITEL,
     
    in dem ein Bett knarrt und ein
    Menschenfresser unseren Schlaf stört
     
    Es war ein breites Holzbett und Ole und ich mussten es uns teilen. Es
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