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Das Schiff aus Stein

Das Schiff aus Stein

Titel: Das Schiff aus Stein
Autoren: Boris Pfeiffer
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nicht ohne.«
    »Schade, dass Bent schon wieder mit Coralia rumhängt.« No sah zu dem blonden Jungen hinüber. »Na ja, wir werden uns sicher bald im Unterricht bei Meister Zachus treffen. Soll ich ihn fragen, ob er morgen auch mitmachen will?«
    »Nein«, sagte Rufus plötzlich. »Davor will ich noch was mit euch besprechen.«
    »Was denn?« No sah neugierig auf.
    In diesem Augenblick warf Coralia Rufus quer durch den Raum einen Blick zu. Unwillkürlich senkte er den Kopf.
    »Jetzt nicht, ich bin ziemlich müde«, verkündete er. »Ich gehe erst mal in mein Zimmer und schlafe mich aus. Ich will mir auch das Glas noch in Ruhe ansehen. Aber bald sprechen wir, ja?«
    Er stand hastig auf, nahm das blaue Glas und verließ den Speisesaal. Nun, da die Flut zu Ende war, überfielen ihn seine Gedanken und Sorgen, die er für eine Weile fast vergessen hatte, mit großer Macht. Rufus rannte die Wendelrampe hoch zu seinem Zimmer. Dort angekommen warf er sich in den großen Sessel vor seinem Schreibtisch. Er sah auf die verwinkelte Dächerlandschaft voller Ziegel und Schornsteine vor dem Fenster und auf das Wasserbecken mit dem Löwenkopf darüber. In der Ecke stand sein bunt bemaltes Bauernbett mit den dicken Federkissen und daneben der vergoldete Schrank aus irgendeinem französischen Königsschloss. Schließlich blieb sein Blick auf dem Foto seiner Mutter hängen, das in einem Silberrahmen auf einer Kommode stand. Darauf trug sie einen blauen Hosenanzug, und ihre roten Haare lagen um ihr Gesicht wie festgefroren.
    Wie rotes Glas, dachte Rufus und ließ sich tiefer in den Sessel sinken. Und plötzlich dachte er: Es ist nicht meine Schuld, wie sie geworden ist. Ich war ein kleiner Junge, als ich gesagt habe, sie müsse eine Ritterin des Geldes werden. Ich war nur ein kleiner Junge und sie hat sich selbst dafür entschieden.
    Rufus legte den Kopf in seine Hände.
    Was sollte er tun?
    Wo sollte er weiterforschen?
    Wie sollte er herausfinden, ob seine Mutter mit Coralias finsteren Plänen zu tun hatte?
    Noch während er darüber nachgrübelte, sank sein Kopf auf die Seite und Rufus merkte nicht, dass er einschlief.
     
    Mit einem Mal befand er sich an einem Ort, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Es war eine weite, dunkle Halle mit einem farbigen Marmorfußboden, in dem Windrosen und kunstvoll gestaltete Pflanzen ineinander verschlungen waren. An einer Wand der Halle befand sich eine lange Reihe alter Schließfächer. Und vor einem dieser Schließfächer stand Coralia. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid und hatte ihr Haar hochgesteckt. Und vor ihr stand Rufus’ Mutter und gab Coralia ein dickes Bündel Geldscheine.
    »Das haben Sie für die Ampulla bekommen?«, flüsterte Coralia überrascht.
    »Ja, und es war gar nicht so schwer. Ich habe mich in die Materie eingearbeitet und das Stück einem englischen Antiquar verkauft. Er war hocherfreut, die kleine Antiquität zu bekommen. Wenn ich unbedingt gewollt hätte, hätte ich sogar noch etwas mehr herausschlagen können. Aber da der Mann nicht wissen wollte, wer ich bin, habe ich es bei diesem Preis belassen. Hier ist also dein Anteil.«
    Coralia nahm das Geld. Sie wandte sich um und zog mit beiden Händen die schwere Metalltür des Schließfachs hinter sich auf. Dann legte sie das Geld hinein.
    »Sie sind eine geschickte Händlerin«, gab sie zu. »Geschickter, als ich es vielleicht erwartet hätte. Und deswegen hätte ich noch etwas für Sie.« Coralia deutete auf die Schließfächer. »Das sind die Schatzkammern der reichen Schüler. Vielmehr ihrer Eltern. Sie wissen ja, Frau Minkenbold, von diesen antiken Luxusgegenständen sollen immer mal wieder einzelne Objekte möglichst unauffällig verkauft werden.«
    Rufus blickte zu seiner Mutter, die mit einem schmalen Lächeln zuhörte und dann antwortete: »Natürlich, Coralia. Diskretion ist Ehrensache. Und das Gebiet als solches interessiert mich durchaus.«
    Coralia lächelte und griff noch tiefer in das Fach. Dann zog sie mit einer raschen Bewegung ein mit funkelnden blauen Steinen besetztes Armband heraus. »Ja!«, sagte sie. »Das muss es auch. Nur, wer sich in der Sache auskennt, wird Preise erzielen, die alle befriedigen. Und was die Diskretion angeht: Keine der Familien hier will, dass je etwas davon an die Öffentlichkeit dringt. Ich werde Sie ihnen nach unserer ersten gemeinsamen Erfahrung als eine absolut vertrauenswürdige Zwischenhändlerin schildern.« Sie machte eine Kunstpause. »Eine meiner Mitschülerinnen
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