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Das Schiff aus Stein

Das Schiff aus Stein

Titel: Das Schiff aus Stein
Autoren: Boris Pfeiffer
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soeben das Glück hatte in kurzen Worten zu hören, zeigt uns, dass der menschliche Erfindergeist nicht nur in der Lage ist, seine Ideen zu verwirklichen, sondern auch, die Ideen, die ihm von anderen noch unklar und unsicher überreicht werden, weiterzuformen, zu veredeln und zu vollenden. Die Geschichte dieses Artefakts ist eine wundervolle Geschichte von zwei Generationen von Glasmachern, und sie ist genauso schön wie die Legende, in der Plinius der Ältere wenige Jahre nach Christi Geburt die Entdeckung des Glases durch den Menschen beschreibt.
    Er berichtet uns nämlich, Kaufleute, die mit Soda handelten, hätten einst an einem Sandstrand auf einem Herd, den sie aus ihren Sodablöcken gebaut hätten, ihr Essen gekocht und dabei seien farbige Rinnsale aus der Asche hervorgequollen, die zu Glas erstarrten.«
    Direktor Saurini lächelte. »Die Wirklichkeit wird anders gewesen sein, denn kein Herdfeuer hat die ausreichende Temperatur für eine Glasschmelze. Und doch zeigt die Legende, wie der Mensch der Natur ihr Wissen immer wieder abschaut. Bevor der Mensch es herstellen konnte, entstand Glas in Vulkanen, bei Blitzeinschlägen und durch Meteoriten. Und heute ist es einer der kostbarsten menschlichen Werkstoffe. Lehrlinge der Akademie! Wenn ihr euch in den kommenden Tagen mit dieser Flut beschäftigt, denkt daran, dass die Flutgruppe sie gemeistert hat, weil sie ihre Kräfte gebündelt hat. Weil sie zusammen geforscht und zusammengehalten hat! Denkt daran, dass nichts auf der Welt je von einem Einzelnen allein geschaffen wurde. Bei allem, was ist, sind es niemals die Gedanken eines einzelnen Menschen, die für das Dasein von etwas sorgen. Das soll sich keiner einbilden! Selbst das Werk des größten aller Künstler wäre nichts ohne den anderen, der dieses Werk betrachtet. Und die bindende Kraft zwischen all dem sind Neugier und Liebe.«
    Direktor Saurini sah jetzt ernst aus und blickte jeden Lehrling und jeden Meister der Akademie an.
    »Und nun, Rufus Minkenbold«, fuhr er dann fort, »sag uns, ob du für das Artefakt deines Fragments einen Namen gefunden hast, unter dem die Menschheit es betrachten und sich erinnern soll.«
    Rufus erhob sich. »Ja, Direktor Saurini«, sagte er mit fester Stimme. »Wir haben in den Flutgruppe zusammen überlegt. Das Artefakt soll benannt werden: ›Mundgeblasener blauer Glaskelch mit drei gelben Wellen, Tyros, 407 vor Christus‹.« 3
    Der Direktor nickte zustimmend. »So soll es sein. Und nun bitte ich euch zu einem Festmahl in die Mensa. Meister Spitznagel hat für uns alle Spezialitäten des Mittelmeerraums um Christi Geburt zusammengestellt.«
    Rufus, Oliver, Filine und No standen auf und sahen sich nach Bent und Anselm um, um mit ihnen zusammen in die Mensa zu gehen.
    Doch noch ehe die beiden zu ihnen stoßen konnten, drängte sich Coralia durch die Menge. Sie trug wieder die dunkelblaue chinesische Seidenrobe mit dem Muster aus goldenen Drachenköpfen und blitzte die beiden Jungen aus ihren dunklen Augen an. »Ihr kommt doch hoffentlich mit mir essen und erzählt mir ausführlich von eurer Flut. Oder etwa nicht?« Bedeutungsvoll blickte sie auf das Schwert, das Bent wieder an der Seite trug.
    »Klar«, beeilte sich Anselm zu sagen.
    Und obwohl Bent schwieg, machte sein Blick ebenfalls klar, dass er sich Coralias Wunsch nicht widersetzen würde.
    So kam es, dass Oliver, Rufus, No und Filine ohne die beiden zusammen aßen. Das blaue Glas stand zwischen ihnen auf dem Tisch.
    Rufus hätte gerne mit seinen Freunden gesprochen und ihnen alles erzählt, was ihn beschäftigte. Doch dauernd kamen Lehrlinge und Meister vorbei und beglückwünschten sie zu ihrer Flut und bewunderten das Artefakt, das sie herbeigerufen hatten. Besonders freuten sich Ottmar und Lucy.
    »Dann können wir ja morgen in Antike Olympische Disziplinen mal wieder eine Runde Ludere raptim spielen. Das letzte Mal ist schon ewig her«, lachte Lucy und wie immer verzog sich dabei ihr schiefes Gesicht. »Wir haben in den letzten Tagen mit Meister Hardy und Meisterin Abel ein paar ziemlich geniale Spielzüge eingeübt. Und Ottmars Gewicht spielt dabei eine wesentliche Rolle! Mal sehen, ob ihr die Taktik durchschaut.«
    No lachte. »Ich bin dabei!«, rief er. »Macht ihr auch mit?« Fragend sah er Oliver, Filine und Rufus an.
    Oliver hob zustimmend einen Daumen, Filine hingegen überlegte kurz.
    »Das entscheide ich morgen früh«, meinte sie dann. »Ich bin ziemlich geschafft von der Flut. Ich fand, das war alles
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