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Das Schattenkind

Das Schattenkind

Titel: Das Schattenkind
Autoren: Anne Alexander
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"Wie dem auch sei, auf Thorburn Hall werden jetzt andere Zeiten anbrechen. Lord David ist erst fünf Jahre alt und noch viel zu klein, um ein g e wichtiges Wörtchen mitsprechen zu können. Sein Onkel Jonathan wird nach wie vor den Besitz verwalten, aber letztendlich wird Davids Mutter, Lady Ireen, alle Fäden in der Hand ha l ten."
    Laura wandte sich ihr zu. "Klingt nicht, als hätten Sie allzu viel für Lady Ireen übrig."
    "Es gibt nicht viele Leute, die etwas für sie übrig hätten", bemerkte Mrs. Willis.
    "Mary, eines Tages redest du dich noch um Kopf und Kragen", sagte Tom Willis und trug die letzten beiden Gepäckstücke ins Zi m mer. "Was auf Thorburn Hall geschieht, geht uns nicht das geringste an. Wir haben genug eigene Sorgen." Er sah Laura an. "Bitte, verst e hen Sie uns nicht falsch, Miß Newman, aber immerhin sind wir von den Thorburns abhängig. Das Land, das ich bearbeite, habe ich von ihnen gepachtet. Und so wie uns geht es den meisten Familie in Little Bridge." Er nickte ihr zu und stieg wieder die Treppe hinunter.
    "Männer", bemerkte Mrs. Willis.
    "Was ist David für ein Junge?" fragte Laura.
    "Ein stilles, in sich gekehrtes Kind", erwiderte Mary Willis. Sie schlich zur Tür und spähte hinaus. Zufrieden wandte sie sich wieder Laura zu. "Jetzt, nach dem Tod seines Vaters, hat er nur noch seinen Onkel Jonathan. Lady Ireen kümmert sich kaum um ihn."
    "Ist David ihr Stiefsohn?" fragte Laura.
    Mary Willis schüttelte den Kopf. "Nein." Sie kehrte zur Tür zurück und blickte noch einmal nach draußen. Von ihrem Mann war weit und breit nichts zu sehen. "Aber wenn Sie mich fragen", fuhr sie leise fort, "würde ich sagen, daß Lady Ireen nicht die geringste Liebe zu ihrem Sohn empfindet. Die Thorburns brauchten einen Erben, nur aus diesem Grund wurde der Kleine gezeugt."
    6.
    Thorburn Hall erhob sich auf einem flachen Hügel fast unmittelbar am Meer. Auf den ersten Blick erkannte Laura, daß das graue Herre n haus aus dem frühen sechzehnten Jahrhundert stammen mußte. Es war eindeutig im frühen Tudorstil erbaut. Architektur hatte sie schon i m mer interessiert. In den langen, einsamen Stunden bei ihren Verwan d ten hatte sie alles gelesen, was sie über alte Gebäude in die Hände bekommen konnte.
    Sie fuhr die Auffahrt entlang und hielt auf einem kleinen Platz, auf dem bereits drei Wagen standen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als sie ihren ganzen Mut zusammennahm und auf das Portal zuging. Wie würde man sie auf Thorburn Hall empfangen? Sie mußte damit rec h nen, daß sie nicht einmal ihr Empfehlungsschreiben Lady Ireen übe r reichen konnte. Die junge Frau atmete tief durch und betätigte den altmodischen Türklo p fer.
    Laura mußte nicht lange warten. Ein weißhaariger, würdevoll au s sehender Butler öffnete ihr. "Bitte, Sie wünschen, Miß?" fragte er und ließ den Blick abschätzend über ihre Gestalt stre i fen.
    "Mein Name ist Newman", erwiderte Laura und zwang sich, nicht dem forschenden Blick des alten Herrn auszuweichen. "Ich komme wegen einer Stelle und hätte gerne Lady Thorburn g e sprochen."
    "Wegen einer Stelle?" wiederholte der Butler mißbilligend und m u sterte die junge Frau erneut. "Darf ich fragen, wer Sie veranlaßt hat, auf Thorburn Hall vorzusprechen, Miß Newman? Sie kommen in e i nem sehr ungünstigen Moment. Erst vor wenigen Tagen ist Seine Lordschaft verstorben. Lady Thorburn ist deshalb für niemanden zu spr e chen."
    "Ich habe ein Empfehlungsschreiben von Mistress Winslow dabei. Bis vor kurzem habe ich als ihre Privatsekretärin gea r beitet."
    "Mistress Muriel Winslow?" fragte der Butler etwas weniger steif.
    "Ja, vermutlich wissen Sie, daß Mistress Winslow und ihr Sohn auf Capri leben."
    "Es ist mir bekannt." Der Butler machte eine einladende Geste. "Wenn Sie mir bitte folgen würden, Miß Newman. Ich werde sehen, ob der Verwalter von Thorburn Hall, Mister Jonathan Thorburn, Sie zu sprechen wünscht."
    Laura betrat die hohe, sehr helle Halle des Herrenhauses. Sie war nur spärlich möbliert, was ihren schwarzweiß gemusterten Marmorb o den besonders zur Geltung brachte. Rechts führte eine geschwungene Treppe zur Galerie im ersten Stock hinauf. Doch sie wandten sich nach links und folgten einem breiten Gang zu einem kleinen Vorraum, in dem einige mit Leder bezogene Se s sel standen.
    Plötzlich spürte die junge Frau, wie sich eine kleine Hand in die i h re schob. Überrascht blickte sie nach rechts. Sie erwartete einen kle i nen Jungen zu sehen, doch der Platz an
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