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Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe

Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe

Titel: Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
Autoren: Robert Ludlum
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ging auf den Wagen zu, und Canfield stieg aus.
    »Ich brauche Sie in einer halben Stunde wieder«, sagte er zu seinem Fahrer. »Nicht später.«
    Der blasse Sergeant, der sich offensichtlich den Gewohnheiten seines Vorgesetzten angepaßt hatte, antwortete: »Ich werde in zwanzig Minuten wieder hier sein, Sir.«
    Der Major nickte, drehte sich um und betrat das Gebäude. Als er im Aufzug nach oben fuhr, wurde ihm bewußt, wie müde er war. Jede Ziffer schien länger als normal beleuchtet zu bleiben. Die Zeit zwischen den Stockwerken kam ihm endlos vor. Und doch hatte er keine Eile. Überhaupt keine Eile.
    Achtzehn Jahre. Das Ende der Lüge, aber nicht das Ende der Furcht. Das würde erst kommen, wenn Kroeger tot war. Was dann noch übrig sein würde, war Schuld. Er konnte mit der Schuld leben, denn sie würde ganz allein die seine sein und nicht die des Jungen oder die Janets.
    Und es würde auch sein Tod sein, nicht der Janets, nicht der Andrews. Wenn der Tod erforderlich war, dann würde es der seine sein. Er würde dafür sorgen.
    Er würde Bern nicht verlassen, solange Kroeger nicht tot war.
    Kroeger oder er.
    Höchstwahrscheinlich alle beide.
    Er verließ die Aufzugskabine, bog nach links und ging den kurzen Korridor entlang zu einer Tür. Er schloß sie auf und betrat ein großes, komfortables Wohnzimmer, das im italienischen Provinzstil eingerichtet war. Zwei große Erkerfenster boten einen freien Blick auf den Park, und verschiedene Türen führten in die Schlafzimmer, das Speisezimmer, die Küche und die Bibliothek. Canfield stand einen Augenblick lang reglos da und gab sich dem unvermeidbaren Gedanken hin, daß dies alles achtzehn Jahre zurückführte.
    Die Tür zur Bibliothek öffnete sich, und ein junger Mann
kam herein. Er nickte Canfield ohne große Begeisterung zu. »Hallo, Dad.«
    Canfield starrte den Jungen an. Es kostete ihn große Kraft, nicht auf seinen Sohn zuzulaufen und ihn an sich zu drükken.
    Sein Sohn.
    Und doch nicht sein Sohn.
    Er wußte, wenn er eine solche Geste versuchte, würde sie zurückgewiesen werden. Der Junge war jetzt vorsichtig und hatte Angst, wenn er sich auch Mühe gab, es nicht zu zeigen.
    »Hallo«, sagte der Major. »Hilfst du mir damit?« Er blickte auf die Kette an seinem Handgelenk.
    Der junge Mann trat zu ihm und murmelte: »Aber sicher. «
    Sie öffneten gemeinsam das Hauptschloß der Kette, und dann hielt der junge Mann die Aktentasche so, daß Canfield das zweite Kombinationsschloß betätigen konnte, das an seinem Handgelenk befestigt war. Jetzt konnten sie die Tasche entfernen. Canfield zog Hut, Mantel und Uniformjacke aus und warf sie auf einen Sessel. Der Junge hielt immer noch die Tasche in der Hand und stand reglos vor dem Major. Er sah außergewöhnlich gut aus. Er hatte hellblaue Augen unter sehr dunklen Brauen, eine gerade, aber etwas aufgestülpte Nase und schwarzes Haar, das sorgfältig nach hinten gekämmt war. Seine Hautfarbe war dunkel, als wäre er von der Sonne gebräunt. Er war knapp über sechs Fuß groß und trug graue Flanellhosen, ein blaues Hemd und eine Tweedjacke.
    »Wie fühlst du dich?« fragte Canfield.
    Der junge Mann zögerte einen Augenblick lang und erwiderte dann mit weicher Stimme: »Nun, an meinem zwölften Geburtstag habt ihr mir ein neues Segelboot gekauft, du und Mutter. Das hat mir besser gefallen.«
    Der ältere Mann erwiderte das Lächeln des Jüngeren. »Ja, das kann ich mir denken.«
    »Ist es das?« Der Junge stellte die Aktentasche auf den Tisch und strich mit dem Finger darüber.
    »Alles.«
    »Jetzt sollte ich mir wohl sehr privilegiert vorkommen.«
    »Der Präsident mußte persönlich eine Anweisung unterzeichnen,
um die Akte aus dem Außenministerium herauszubekommen. «
    »Wirklich?« Der Junge blickte auf.
    »Keine Sorge. Ich bezweifle, daß er weiß, was sie enthält. «
    »Wieso?«
    »Eine Vereinbarung.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Wenn du die Akte gelesen hast, wirst du es glauben. Höchstens zehn Leute haben sie ganz gesehen, und die meisten davon sind tot. Als wir das letzte Viertel der Akte zusammentrugen, taten wir das stückweise – damals, 1938. Es steckt in dem separaten Aktendeckel mit den Bleisiegeln. Die Seiten sind nicht in der richtigen Reihenfolge und müssen geordnet werden. Der Schlüssel ist auf der ersten Seite.«
    Der Major lockerte seine Krawatte mit einer schnellen Handbewegung und fing an, sein Hemd aufzuknöpfen.
    »War das alles notwendig?«
    »O ja. Soweit ich mich erinnere, haben wir
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