Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
dämonischer Mörder gerade aus der Höllenfinsternis heraufgestiegen. Der Hof war menschenleer. Aus dem Dorf stiegen Rauchsäulen gen Himmel, mit ihnen Angstschreie und das Knistern von Flammen. Schwindelig vor Furcht lief er über das Steinpflaster. Furcht vor dem, was seine Mutter quälte. Furcht vor der Schande. Vor dem Wissen, daß er sie nicht würde retten können. Vor der Finsternis, die sich in seinem Gemüt eingenistet hatte und zu ihm sprach.
    Stürze dich hinein! sagte die Finsternis.
    Mattias wandte sich um und schaute zur Schmiede zurück.Zum erstenmal in seinem Leben sah er sie nur als eine graue Steinhütte.
    Wie die Klinge beim Abschrecken.
    Stürze dich hinein!
    In der Küche lag die kleine Greta zusammengesunken auf dem Herdstein. Ihr Gesicht war in Verwunderung erstarrt. Mattias kniete nieder und küßte sie auf den Mund. Er deckte ihren Leichnam mit der Decke zu, unter der er geschlafen hatte. Auf der anderen Seite des durchwühlten Raumes hing die Tür quietschend in einer Angel. Im Schlamm draußen herrschte Aufruhr. Mattias trat näher heran. Er sah Vater Giorgi, den Dorfpfarrer, dem er am Sonntagmorgen als Meßdiener am Altar gedient hatte. Vater Giorgi schrie unsichtbaren Angreifern etwas zu, hielt das Kruzifix hoch erhoben in den Händen. Eine gedrungene Gestalt hieb ihm in den Nacken, und Vater Giorgi fiel zu Boden. Mattias trat noch näher. Was mußte das für ein Mann sein, der einen Priester tötete? Dann hielt er inne und fuhr herum. Was er sah, schien alle Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen.
    Er blinzelte und rang um Atem. Der nackte Körper seiner Mutter, ihre blassen Brüste und dunklen Brustwarzen, ihr heller Bauch, das Haar zwischen ihren Beinen. Scham drehte ihm die Eingeweide um, er wollte wegrennen. Über den Hof, weg von der Schmiede, in den Wald, wo ihn niemand je finden würde. Die Finsternis, die nun sein einziger Ratgeber und Führer war, ließ ihn zur Tür zurückgehen und noch einmal hinschauen.
    Ein von Pfeilen durchbohrtes Pferd lag sterbend auf der Seite, schlug den großen Kopf hin und her. Die Augen rollten, und rosafarbener Schaum stand ihm vor dem Maul. Daneben ausgestreckt lag ein Dorfbewohner, ebenfalls von Pfeilen durchbohrt. Über den Körper des Pferdes gestreckt lag seine Mutter. Ihr kupferrotes Haar peitschte hin und her, während sie sich mit aller Kraft gegen die vier Männer wehrte, die wild fluchten und sie nur mit Mühe auf dem Boden halten konnten. Ihre nackte Haut war marmorweiß, von roten Striemen zerfurcht. Ihr Gesicht zeigte völlige Erschöpfung, ihre blauen Augen zuckten wild hin und her.Sie sah Mattias nicht, und während ein Teil von ihm sich danach sehnte, daß ihr blauer Blick noch einmal auf seine Augen fiel, wußte er doch, daß das Wissen, ihn als Augenzeugen zu haben, ihr alle Kraft rauben würde.
    Jemand hieb ihr auf den Kopf und schrie ihr ins Ohr. Sie wandte sich zu dem Angreifer und spuckte ihm ins Gesicht. Ein fünfter Mann kniete sich zwischen ihre Beine, die Hose heruntergelassen. Alle schrien in einer schrecklichen fremden Sprache durcheinander. Sie vergewaltigten eine Frau, die sie im Halbschlaf aus dem Bett gezerrt hatten, und dabei benahmen sie sich wie Hirten, die ein jammerndes Kalb aus einem Sumpf zogen. Der Mann, der über der Mutter kniete, verlor allmählich die Geduld. Er zog ein Messer aus dem Stiefel und rammte ihr die Klinge ins Herz, ohne daß jemand den Versuch machte, ihn aufzuhalten. Seine Mutter hörte auf sich zu bewegen, ihr Kopf sank nach hinten.
    Mattias unterdrückte die Tränen, die ihm nicht zustanden. Er hatte seine Schwestern im Stich gelassen. Der Leichnam seiner Mutter lag da und wurde von diesen Unmenschen geschändet. Er allein stand noch da, machtlos und verloren. Er kam erst wieder zu sich, als er spürte, daß er sich die Spitze des Dolches in die Handfläche getrieben hatte. Sein Blut schimmerte hell auf dem Schmutz auf seinen Fingern. Der Schmerz war echt und klärte ihm die Gedanken. Seine Mutter hatte den Fremden verweigert, was sie noch mehr begehrten als ihr Fleisch: ihre Erniedrigung, den Verlust ihres Stolzes. Mattias legte die Klinge so gegen seinen Arm, daß niemand sie sehen konnte. Ohne Hast schritt er den Männern entgegen.
    Der erste Fremde erhob sich von der Mutter und taumelte zurück, die Hose noch um die Knie. Ein zweiter Kerl kniete sich hin, um in seine Mutter einzudringen, und die anderen drei packten sie bei den Schenkeln und Brüsten, um sich aufzugeilen, bis sie an der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher