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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld
Autoren: Mo Yan
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Onkel Luohan. «Die könnt ihr doch nicht einfach mitnehmen.»
    Bedrohlich knurrte der Marionettensoldat: «Noch ein Wort, und ich schieß dir den Pimmel ab.»
    Die japanischen Soldaten hielten ihre Gewehre im Präsentiergriff und standen still wie Lehmfiguren.
    Als Großmutter und mein Vater das Gelände betraten, rief Onkel Luohan: «Sie wollen uns die Maultiere wegnehmen.»
    «Meine Herren»», sagte meine Großmutter, «wir sind anständige Leute.»
    Die Japaner blickten Großmutter mit zusammengekniffenen Augen an und grinsten.
    Der kleinere Marionettensoldat machte die Maultiere los und versuchte sie wegzuführen, aber sie warfen stur die Köpfe hoch und rührten sich nicht. Also mischte sich sein Kumpel ein und stieß das Tier mit dem Gewehr in den Bauch. Wütend schlug das Tier mit den Hinterbeinen aus. Die Hufeisen glänzten unter dem Schlamm, der dem Soldaten ins Gesicht spritzte.
    Der größere Soldat richtete das Gewehr auf Onkel Luohan und brüllte: «Los, komm her und bring die Maultiere zur Baustelle!»
    Onkel Luohan kauerte auf dem Boden und sagte nichts.
    Einer der Japaner trat dazu, wedelte mit dem Gewehr vor Onkel Luohans Gesicht herum und schrie etwas Unverständliches. Das glänzende Bajonett vor Augen, setzte sich Onkel Luohan auf den Boden. Der Soldat stieß zu, und eine kleine Wunde öffnete sich auf Onkel Luohans Kopf.
    Großmutter fing an zu zittern und rief: «Onkel, bring ihnen die Maultiere!»
    Der andere japanische Soldat schlich sich immer näher an Großmutter heran. Vater fiel auf, wie jung und hübsch er war und wie seine schwarzen Augen funkelten. Aber wenn er lächelte, gaben seine Lippen einen vorstehenden gelben Zahn frei. Großmutter schwankte auf ihren gebundenen Füßen zu Onkel Luohan hinüber, dessen Kopfhaut und Gesicht blutverschmiert waren. Grinsend kamen die japanischen Soldaten näher. Großmutter legte Onkel Luohan die Hände auf den Kopf und schmierte sich sein Blut ins Gesicht. Wie eine Wahnsinnige raufte sie sich die Haare und sprang mit aufgerissenem Mund in die Höhe. Sie sah zu drei Teilen aus wie ein Mensch, zu sieben wie ein Dämon. Die japanischen Soldaten erstarrten vor Schreck.
    «Um Gottes willen», sagte der kleinere Marionettensoldat, «die Frau ist verrückt.»
    Der eine Japaner murmelte irgendetwas vor sich hin und gab einen Schuss über Großmutters Kopf ab. Sie hockte sich auf den Boden und begann laut zu klagen.
    Der größere Marionettensoldat stieß Onkel Luohan mit dem Gewehr in die Seite und befahl ihm aufzustehen. Onkel Luohan nahm dem kleineren Marionettensoldaten den Strick aus der Hand. Die Maultiere warfen die Köpfe zurück, und ihre Beine zitterten, aber sie ließen sich von ihm führen. Die Straße war ein Chaos von Maultieren, Pferden, Ochsen und Ziegen.
    Großmutter hatte keineswegs den Verstand verloren. Sobald die Japaner und ihre chinesischen Marionetten abgezogen waren, nahm sie den hölzernen Deckel von einem der Schnapsfässer und betrachtete ihr blutiges und verängstigtes Spiegelbild. Vater sah, wie die Tränen auf ihren Wangen rot wurden. Großmutter wusch ihr Gesicht in dem Schnaps, der sich blutrot färbte.
    Wie die Maultiere, die er am Halfter führte, musste auch Onkel Luohan an der Straße arbeiten, die sich in den Hirsefeldern abzuzeichnen begann. Die Landstraße am Südufer des Schwarzwasserflusses war fast fertig gestellt, und von der neuen Straße her kamen Autos und Lastwagen mit Steinen und gelbem Kies, den sie am Flussufer entluden. Da es nur eine einzige Holzbrücke über den Fluss gab, hatten die Japaner beschlossen, eine große steinerne Brücke zu bauen. In den Hirsefeldern nördlich des Flusses, wo man auf beiden Seiten der Straße schwarze Erde aufgeschüttet hatte, zogen Dutzende von Pferden und Maultieren schwere Steinwalzen, die zwei große quadratische Flächen inmitten eines Meeres von Hirse platt walzten und den grünen Getreidevorhang um die Baustelle zerstörten. Die Männer führten die Tiere kreuz und quer durch das Feld, zertrampelten die zarten Sprosse, die sich unter beschlagenen Hufen bogen, und walzten sie in den Boden; und die glatten Steinwalzen färbten sich im Saft der Hirsepflanzen dunkelgrün. Das durchdringende Aroma grüner Hirseknospen hing wie eine schwere Wolke über der Baustelle. Onkel Luohan wurde auf die Südseite des Flusses geschickt, um Steine ans Nordufer zu schleppen. Zögernd übergab er die Maultiere einem alten Mann mit entzündeten Augen. Die kleine Holzbrücke schwankte
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