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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band
Autoren: Dana Graham
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Was ich nun sage, hätte ich dir schon im letzten Oktober sagen sollen: Eloïse, ich liebe dich. Und das liegt sicher nicht daran, dass du dich als Mann verkleidet hattest. Aber ich war zu hochmütig und zu feige, mich zu dir zu bekennen.“ Er sah sie an, doch sie antwortete nicht. Victorians Hände wurden kalt, und Angst überkam ihn, dass er sie trotz seines Geständnisses verlieren könnte – oder schon längst verloren hatte. „Bitte, Eloïse, sprich mit mir!“, rief er. „Denn, wenn ich etwas noch weniger ertragen würde als deinen Hass, dann dein Schweigen. Willst du meine Frau werden, jetzt wo du die Wahrheit kennst?“
    Eloïse blickte auf die Muschel in ihrer Hand und dann auf die vielen Hochzeitsgäste, die mit unverhohlener Neugier das Geschehen betrachteten. „Das Erste, was ich von dir will, Victorian, ist ein Kuss.“ Sie sprach leise, doch da alle gebannt den Vorgängen auf dem Flur lauschten, waren ihre Worte klar zu verstehen. „Denn dann weiß ich, ob du es ernst meinst.“
    Er zögerte. Ihr Wunsch widersprach jeder Form des Anstands. „Ich soll dich in aller Öffentlichkeit küssen?“, wiederholte er unsicher.
    „Ja, das ist meine Bedingung“, antwortete sie streng. Dann wurde ihr Blick weich, und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Tu es einfach“, sagte sie. „Mein Ruf ist sowieso nicht mehr zu retten und deiner auch nicht. Also hör auf, dich zu zieren. Ich liebe dich nämlich auch – trotz allem.“
    Victorians Herz wurde weit. Eloïse jagte ihn nicht davon, im Gegenteil, sie hatte ihm verziehen! Unglaubliche Freude und Erleichterung durchliefen ihn. Er trat zu ihr, schlang seine Arme um sie, und seine Lippen berührten sanft ihren Mund. Das war das Unvernünftigste, was er jemals in seinem Leben getan hatte, aber definitiv das Richtigste! „Ich danke dir, Eloïse“, flüsterte er ihr ins Ohr, „dass du mich immer noch willst.“
    „Ich habe niemals damit aufgehört, Euer Gnaden“, erwiderte sie leise.
    Lachen und Klatschen ertönten hinter ihnen, als Victorian sich nach einer Weile von Eloïse löste. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen strahlten. „Eloïse“, sagte er, „ich muss mich bei einigen Menschen hier im Saal entschuldigen und noch einige Dinge klarstellen.“
    Sie nickte, und er nahm ihre Hand und ging mit ihr in den Festsaal hinein, wo Ian, Joanna, der Earl of Greystone und Lord Lionsbridge standen.
    Victorian verneigte sich vor dem Brautpaar. „Lady Joanna … Lady Highfalls, Ian, ich entschuldige mich zutiefst für die Unterbrechung der Trauungsfeier.“
    Bevor Ian antworten konnte, ergriff Bennett, der hinter ihm stand, das Wort. „Ja, das war ein grandioser Auftritt, Victorian. So extrovertiert kenne ich Euch gar nicht.“ Er lachte und sah Ian an. „Du bist ganz schön zusammengezuckt, als Victorian hereingestürmt kam.“
    Für einen Moment verfinsterte sich Ians Blick. „Ich hatte mit jemand anderem gerechnet“, gab er zu.
    „Deinem Vater wäre der Zutritt verweigert worden“, erklärte Jake. „Die Burgwache war instruiert.“
    Ian nickte. Er hatte tatsächlich zuerst gedacht, Victorian wäre sein Vater, der seine Hochzeit mit Joanna verhindern wollte. Und in diesem Augenblick wäre er bereit gewesen, alles zu tun, um den Baron of Darkwood davon abzuhalten, erneut sein Leben zu zerstören.
    Victorian nutzte das Schweigen und wandte sich an den Earl. „Lord Greystone, ich entschuldige mich für mein Verhalten nach dem Besuch des Königs. Ihr hattet recht, es war untragbar, genau wie meine Anschuldigung, Ihr wäret Männern zugeneigt. Ich habe Gerüchte nachgeplappert, die Neider über Euch in die Welt gesetzt haben. Da ich nun am eigenen Leib erfahren habe, was solche unbedachten, falschen Äußerungen anrichten können, seid meines aufrichtigen Bedauerns gewiss, Mylord.“
    Jake streckte ihm die Hand entgegen. „Jeder irrt sich und macht Fehler, Victorian. Ich trage Euch Euer Benehmen in keinster Weise nach, und Ihr seid immer in Greystone willkommen.“ Er lächelte. „Und es würde mich freuen, wenn Ihr mich zukünftig mit meinem Vornamen ansprecht.“
    „Victorian“, Joanna trat vor, „Ihr sagtet vorhin ...”
    „ Du sagtest vorhin ...“, korrigierte er sie.
    „Du sagtest vorhin, du hättest Amira am Königshof gesehen. Warum ist sie nicht wieder bei ihrer Familie?“
    Victorian verzog das Gesicht. „Weil sie sich mit dem König verlobt hat. Das war ihr Plan: Sie wollte durch mich an den König
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