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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt
Autoren: Graeme Simsion
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Bart, und seine Zähne waren schlecht gepflegt. Der zweite Mann, Danny, war vermutlich ein paar Jahre jünger als ich und schien bei guter Gesundheit. Er trug ein weißes T-Shirt, war an den Armen tätowiert, und in seinem schwarzen Haar befand sich irgendein kosmetisches Mittel.
    Die pünktliche Frau hieß Olivia und teilte ihre Aufmerksamkeit zunächst gerecht unter uns drei Männern auf (was logisch war). Sie sagte, sie sei Anthropologin. Danny verwechselte das mit Archäologin, und dann erzählte Craig einen rassistischen Witz über Pygmäen. Selbst mir war klar, dass diese Reaktionen keinen guten Eindruck bei Olivia hinterließen, und einen Moment lang genoss ich das seltene Gefühl, einmal nicht die sozial inkompetenteste Person im Raum zu sein. Nun wandte sich Olivia an mich, doch noch während meiner Beantwortung ihrer Frage nach meinem Beruf wurden wir durch die Ankunft des vierten Mannes, der sich als Gerry, Anwalt, vorstellte, sowie zweier Frauen, Sharon und Maria, die Buchhalterin bzw. Krankenschwester waren, unterbrochen. Es war ein warmer Abend, und Maria trug ein Kleid mit den doppelten Vorzügen von Luftigkeit und Sexyness. Sharon war in konventionelle Bürokluft gekleidet, bestehend aus Hose und Blazer. Ich schätzte alle auf ungefähr mein Alter.
    Olivia setzte ihre Unterhaltung mit mir fort, während die anderen sich in Smalltalk ergingen – eine außerordentliche Zeitverschwendung, wenn eine so bedeutsame Lebensentscheidung anstand. Auf Claudias Rat hin hatte ich den Fragebogen auswendig gelernt. Sie fand, es könne eine falsche »Dynamik« entstehen, wenn ich die Fragen direkt abläse, und ich solle sie lieber beiläufig in die Konversation einflechten. Beiläufigkeit, erinnerte ich sie, sei nicht meine Stärke. Daraufhin schlug sie vor, ich solle nicht nach Geschlechtskrankheiten fragen und Gewicht, Größe sowie BMI eigenständig einschätzen. Olivias BMI schätzte ich auf neunzehn: schlank, aber keine Anzeichen von Anorexie. Bei Sharon tippte ich auf dreiundzwanzig und bei Maria auf achtundzwanzig. Der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Höchstwert liegt bei fünfundzwanzig.
    Besser, als nach dem IQ zu fragen, erschien mir, mittels Olivias Antwort auf meine Frage nach den historischen Auswirkungen unterschiedlicher Anfälligkeit für Syphilis bei südamerikanischen Ureinwohnern eine Schätzung vorzunehmen. Wir führten eine faszinierende Unterhaltung, und ich hatte das Gefühl, das Thema könnte eventuell sogar das Einflechten der Geschlechtskrankheitsfragen erlauben. Olivias IQ lag definitiv über dem erforderlichen Mindestmaß. Gerry, der Anwalt, warf ein paar seltsame Bemerkungen dazwischen, die wohl scherzhaft gemeint waren, aber schließlich ließ er uns das Gespräch ohne Unterbrechungen fortführen.
    Plötzlich tauchte die noch fehlende Frau auf,
mit achtundzwanzig Minuten Verspätung
. Während Olivia abgelenkt war, nutzte ich die Gelegenheit, die bisher gewonnenen Daten in einen der vier Fragebögen auf meinem Schoß einzutragen. Für die zuletzt Angekommene brauchte ich kein Papier zu verschwenden, da sie verkündete, sie komme »immer zu spät«. Gerry, den Anwalt, schien das nicht weiter zu stören, aber da er sich vermutlich in Sechs-Minuten-Intervallen bezahlen ließ, sollte er Zeit eigentlich einen höheren Wert beimessen. Offenbar jedoch maß er Sex einen höheren Wert bei, denn sein Gespräch begann sehr bald denen von Gene zu ähneln.
    Mit Ankunft der Zuspätfrau erschien der Kellner mit den Speisekarten. Olivia überflog ihre und fragte: »Ist die Kürbissuppe mit Gemüsebrühe gekocht?«
    Die Antwort bekam ich nicht mit. Allein die Frage lieferte die entscheidende Information: Vegetarierin.
    Sie schien meine Enttäuschung zu bemerken. »Ich bin Hindu.«
    Wegen des Sari und der übrigen äußeren Erscheinung hatte ich bereits gefolgert, dass Olivia vermutlich Inderin war. Ich wusste nicht genau, ob der Begriff »Hindu« als Glaubensbekenntnis oder als Hinweis auf den kulturellen Hintergrund zu werten sei. In der Vergangenheit war ich schon einmal kritisiert worden, weil ich diese Differenzierung nicht berücksichtigt hatte.
    »Essen Sie Eiskrem?«, fragte ich nun. Nach dem Bekenntnis des Vegetarismus erschien mir diese Frage notwendig. Sehr geschickt.
    »O ja, ich bin keine Veganerin. Aber nur, wenn kein Ei drin ist.«
    Es wurde nicht besser.
    »Haben Sie eine Lieblingssorte?«
    »Pistazie. Definitiv Pistazie.« Sie lächelte.
    Maria und Danny waren zum Rauchen
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