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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt
Autoren: Graeme Simsion
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erreichen. Doch die Lösung für ihr Dilemma war offensichtlich. Wenn sie die Regeln nicht brechen wollte, musste sie die Regeln ändern. Das teilte ich ihr mit.
    Ich bin nicht gut darin, Gesichtsausdrücke zu lesen, und der nachfolgende Ausdruck im Gesicht der Dekanin war mir nicht vertraut. »Wir dürfen Abschreiben nicht erlauben.«
    »Obwohl wir es tun?«
    Nach dem Gespräch war ich verwirrt und verärgert. Ernsthafte Dinge standen auf dem Spiel. Was, wenn unsere Forschung nicht anerkannt würde, weil man uns unzureichenden akademischen Standard nachsagte? Was, wenn ein Genetiklabor eine Person einstellte, deren Qualifikation durch Betrug gewonnen worden war, und diese Person schwerwiegende Fehler machte? Die Dekanin schien eher um vordergründiges Ansehen besorgt als um derart schwerwiegende Sachverhalte.
    Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, mein Leben mit der Dekanin zu verbringen. Ein durch und durch schrecklicher Gedanke! Das vorherrschende Problem wäre ihre Sorge ums Ansehen. Mein Fragebogen müsste unnachgiebig alle Frauen herausfiltern, die zu viel Wert auf Äußeres legten.

4
    Gene öffnete die Tür mit einem Glas Rotwein in der Hand. Ich stellte mein Fahrrad im Hausflur ab, zog den Rucksack vom Rücken, holte den Ordner zum »Projekt Ehefrau« hervor und überreichte Gene seine Kopie des Fragebogen-Entwurfs. Ich hatte ihn auf sechzehn Doppelseiten gekürzt.
    »Entspann dich, Don, wir haben genug Zeit«, sagte er. »Wir werden erst mal zivilisiert essen, und dann kümmern wir uns um den Fragebogen. Wenn du mit Frauen ausgehen willst, brauchst du Übung beim gemeinsamen Essen.«
    Da hatte er natürlich recht. Claudia ist eine exzellente Köchin, und Gene besitzt eine umfangreiche Weinsammlung, die nach Region, Jahrgang und Erzeuger sortiert ist. Im »Weinkeller«, der nicht wirklich unter der Erde liegt, zeigte er mir seine neuesten Errungenschaften, und wir suchten eine zweite Flasche aus. Wir aßen zusammen mit Carl und Eugenie, und ich umging den Smalltalk, indem ich mit Eugenie ein Gedächtnisspiel spielte. Dann sah sie meinen Ordner mit dem Titel »Projekt Ehefrau«, den ich gleich nach dem Dessert auf den Tisch legte.
    »Willst du heiraten, Don?«, wollte sie wissen.
    »Korrekt.«
    »Wen?«
    Ich wollte gerade anfangen, es zu erklären, da schickte Claudia die Kinder in ihre Zimmer, was eine gute Entscheidung war, da sie nicht die nötige Kompetenz besaßen, um zu dem Gespräch beizutragen.
    Ich reichte Gene und Claudia je einen Fragebogen. Gene schenkte uns allen Portwein ein. Ich erklärte, ich hätte den Fragebogen nach optimalen Richtlinien entworfen, einschließlich Multiple-Choice-Verfahren, Likert-Skala, Vergleichsprüfung, Testfragen und indirekte Fragen. Claudia bat um ein Beispiel für Letztere.
    »Frage  35 :
Essen Sie Niere?
Die korrekte Antwort lautet
(c) gelegentlich
. Ein Test, um Ernährungsgewohnheiten festzustellen. Wenn man direkt danach fragt, sagen sie ›Ich esse alles‹, und später stellt man dann fest, dass sie Vegetarier sind.«
    Mir ist bewusst, dass es viele Argumente für den Vegetarismus gibt. Da ich selbst jedoch Fleisch esse, dachte ich, es sei passender, wenn meine Partnerin das ebenfalls tut. In diesem frühen Stadium schien es mir logisch, die ideale Situation zu spezifizieren. Falls nötig, könnte ich die Fragebogen später neu anpassen.
    Claudia und Gene lasen weiter.
    Claudia sagte: »Bei Verabredung tippe ich mal auf
(b) ein bisschen zu früh

    Diese Antwort war ganz offenkundig inkorrekt und zeigte, dass sogar Claudia, die eine gute Freundin ist, als Partnerin absolut ungeeignet wäre.
    »Die korrekte Antwort lautet
(c) pünktlich
«, entgegnete ich. »Gewohnheitsmäßiges Zufrühkommen akkumuliert sich zu einer immensen Zeitverschwendung.«
    »Ich würde
ein bisschen zu früh
durchgehen lassen«, sagte Claudia. »Es könnte sein, dass sie sich anstrengt zu gefallen. Das ist nichts Schlechtes.«
    Ein interessanter Punkt. Ich machte mir eine Notiz, dies zu berücksichtigen, wies aber darauf hin, dass
(d) ein bisschen zu spät
und
(e) sehr spät
definitiv nicht akzeptabel seien.
    »Ich finde, wenn eine Frau sich als brillante Köchin bezeichnet, dann ist sie ziemlich eingebildet«, meinte Claudia. »Frag sie doch einfach, ob sie gerne kocht. Und schreib dazu, dass du das auch gern tust.«
    Dies war genau die Art von Kommentar, die ich brauchte – feine Nuancen in der Formulierung, die mir nicht bewusst sind. Mir fiel ein, dass eine Frau, die mir
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