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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus
Autoren: Sarah Harvey
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Klippenkante hinauf, von wo man
einen herrlichen Blick über zwanzig Kilometer Küste hatte, bis nach St. Just
und Cape Cornwall. Bei gutem Wetter, das wusste Lily, konnte man im Westen bis
zu den Scilly-Inseln sehen. Liam hatte ihr versprochen, dass sie, sobald das
Wetter und seine Arbeitsbelastung es zuließen, einmal hinüberfahren und sich
dort Fahrräder mieten würden.
    Sie musste an dieses Versprechen denken, als sie dem kleinen Pfad
folgte, der sich ins Dorf hinunterschlängelte, und daran, dass er auch dieses
Versprechen noch nicht eingelöst hatte. Er hatte einfach zu viel um die Ohren.
Immer gab es irgendetwas Wichtigeres für ihn zu tun.
    Merrien Cove glich einer Geisterstadt. Wie immer.
    Der Pfad endete im Ort nahe des winzigen Hafens. Er war an der einen
Seite von einer halbrunden Hafenmauer und auf der anderen von einer Rampe
flankiert, die von der großen Doppeltür der Rettungsbootstation in die
künstlich angelegte Fahrrinne führte.
    Da sie regelmäßig hier vorbeikam, nickte Lily den paar Fischern, die
von hier ablegten und vermutlich auch zum Rettungsbootteam gehörten, inzwischen
immer zu. Es machte ihr Spaß, ihnen bei der Arbeit zuzusehen, doch heute war niemand
am Hafen, selbst das Meer hatte sich zurückgezogen und die Fischerboote auf dem
Trockenen liegen lassen.
    Die pittoresken Häuser entlang der Küstenstraße dienten in erster
Linie als Ferienhäuser und standen den ganzen Winter leer.
    Alles war geschlossen.
    Die Kunstgalerie, die in einem runden Steingebäude am Hafen
untergebracht war, das kleine Café mit den Vorhängen mit Kirschmuster, alles.
    Am Ende der Promenade machte die Straße eine scharfe Rechtskurve und
stieg steil an, um sich mit der Hauptstraße zu vereinen. An dieser Straßenecke
befand sich das Broken Compass Inn, ein weißes, dreistöckiges Steingebäude, das
wie so viele Häuser hier gewissermaßen in die Steilküste hineingebaut worden
war. Hier versammelten sich die wenigen Einheimischen in kleinen Grüppchen und
begrüßten jeden Fremden mit misstrauischen Seitenblicken. Dem Inn gegenüber
markierte ein kleiner Parkplatz den Beginn des Strandes, der sich in einem
herrlich weißen Bogen fast zwei Kilometer nach Osten erstreckte.
    Es war wunderschön.
    Der perfekte Strand, umrahmt von Dünen und mit Seegras bewachsener
Steilküste, an der hier und da verstreut einsame Häuser standen. Manchmal
konnte Lily Gelächter von dort hören, manchmal sah sie Licht – aber kaum
andere Lebenszeichen.
    Auf dem Parkplatz stand heute ein Wagen, und in der Ferne konnte
Lily einen Spaziergänger ausmachen, der vorsichtig über die Felsen kletterte,
die diesen Strand von der nächsten Bucht trennten. Ein Hund jagte zwischen den
Felsen und dem Ufer hin und her wie ein Tennisball bei einem Match.
    Am Ende des Parkplatzes, dort, wo ein Sandweg zum Strand
hinunterführte, stand ein länglicher Holzschuppen. Etwa zwei Drittel seines
hinteren Endes waren in einem zarten, blassen Blau gestrichen – fast genau der
gleiche Farbton wie die Wände in dem kleinen Zimmer in ihrem Haus in Notting
Hill. Zum Schuppen gehörte eine dem Strand zugewandte Holzterrasse mit
Picknicktischen, und neben den verriegelten Fensterläden hing ein Schild mit
der Aufschrift »Speisen & Getränke«.
    Das dem Parkplatz zugewandte Ende des Schuppens war knallgelb
angestrichen und beherbergte dem leicht verblichenen Zettel an der Tür zufolge
die Merrien Cove Surfschule.
    Lily hatte in den langen Wochen, die sie nun hier war, noch keinen
einzigen Surfer gesehen. Heute war sie die gesamte Küstenstraße entlanggelaufen
und war überhaupt niemandem begegnet. Als sie auf der Höhe des Inns war, fing
es an zu regnen. Der halbherzige Nieselregen vermischte sich mit Salzwassernebel,
den die Wellen erzeugten, die sich mit Macht an der Hafenmauer brachen.
    Kurz nach ihrem Umzug waren sie und Liam einmal zum Abendessen zum
Broken Compass gefahren. Es war geschlossen gewesen.
    Seufzend drehte sie sich um und schlug den Rückweg gen Westen ein,
die Küstenstraße entlang und am Hafen vorbei. Hinter einem langen, niedrigen,
strohgedeckten Cottage bog sie links ab und folgte dem Pfad, der sich aus der
Bucht auf die Landzunge schlängelte und von dort zur nächsten, etwas kleineren
Bucht, in der abgeschieden und einst glanzvoll Rose Cottage lag.
    Etwa zweihundert Meter weiter landeinwärts gab es noch ein weiteres
Cottage, eine lange, niedrige Fischerkate aus grauem Stein mit dunklem
Schieferdach. »Driftwood Cottage« war
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