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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten
Autoren: Aileen P. Roberts
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Elvancors sich entschließt, seinen Körper zu verlassen, nehmen wir gerne sein Fleisch«, ergänzte Maredd, nachdem Etron nichts weiter hinzuzufügen gedachte.
    »Das heißt, ihr jagt nicht?«
    »Doch, wir waren stets gute Jäger. Allerdings nehmen wir nur ein Leben, das ohnehin dabei ist, sich mit der Ewigkeit zu vereinen.« Der Krieger klang sehr entschlossen. »Eine Unart der Menschen hingegen ist es, Tiere ohne Bedacht zu töten.«
    »Wie du siehst, existieren einige Schwierigkeiten zwischen den Tuavinn und den menschlichen Bewohnern der Städte.« Für einen Moment hatte Lena den Eindruck, Maredds Blick würde auf Ragnar haften bleiben und ein Anflug von Trauer sein Gesicht überziehen, aber das mochte im flackernden Schein der Flammen auch täuschen.
    »Das größte Problem liegt darin, dass die meisten Menschen, also die in den Städten, die Tuavinn nicht mehr bitten, sie in die Ewigkeit zu geleiten«, erläuterte Ragnar.
    »Weshalb tun sie das nicht?«, fragte Lena verwundert.
    »Sie haben irgendwann begonnen, uns zu fürchten, zu denken, ohne uns könnten sie ewig leben.« Wütend schleuderte Maredd einen Stein ins nächste Gebüsch. »Das ist ein Irrglaube und auch nicht, wofür Menschen bestimmt sind!«
    »Wenn ein Bewohner Elvancors bereit ist, ein Teil der Ewigkeit zu werden«, fuhr Amelia fort, »bittet er einen der Tuavinn, ihn zu den Gipfeln von Avarinn zu begleiten. So war es in den Tagen, als die ersten Kelten hierherkamen.«
    »Und dann?«
    »Dann ist er das, was du als tot bezeichnen würdest, Lena. Er wird Teil der Ewigkeit oder kehrt eines Tages in einem anderen Körper zurück, wenn er noch etwas zu lernen hat. Das ist der große Zyklus, den die Seelen zu durchlaufen haben.«
    »Aber du bist doch auch tot«, erwiderte Lena.
    »In gewisser Weise ja, zumindest für die Vorstellung unserer Welt. Aber wie du siehst, gibt es eigentlich keinen Tod. Ich habe lediglich meinen Körper zurückgelassen und bin nach Elvancor gekommen.«
    »Dann ist das hier der Himmel, das Paradies oder so ähnlich?«
    »Deine Vorfahren bezeichneten Elvancor gerne als Anderswelt, aber auch das ist nicht der richtige Begriff, denn Elvancor stellt eher einen besonderen Abschnitt auf dem Entwicklungszyklus dar, von dem Amelia eben sprach.« Maredds Augen blickten zu den Bergen, deren Gipfel nun in Flammen zu stehen schienen. »Unser Reich liegt jenseits von allem, was du dir vorstellen kannst. Wenn du dich entschließt, Elvancor zu verlassen, dann kommst du an einen Ort, den die Menschen Anderswelt, Himmel, Nirwana oder wie auch immer es ihnen beliebt nennen.«
    »Hm.« Lena dachte über Maredds Worte nach. »Dann wollen die Stadtbewohner also nicht sterben – irgendwie verständlich, finde ich.«
    »Ihre Gier nach Gold und Edelsteinen, ihre Art, unser Land zu beherrschen, das hat ihren Verstand vergiftet«, ereiferte sich Maredd, und Lena ahnte, dass es besser wäre, das Thema zu wechseln, denn er sah äußerst aufgebracht aus.
    »Die Tuavinn leben in absolutem Einklang mit der Natur«, warf Amelia ein. »Selbst Holz nehmen sie nur von toten Bäumen, sofern sie überhaupt eine Behausung bauen wollen.«
    »Zumeist tun wir dies nur, wenn wir in einem Menschen unseren Seelenfreund finden, und leben ihm zuliebe in Holzhäusern«, fügte Maredd hinzu, nun wieder mit einem liebevollen Lächeln auf Amelia.
    Diese knuffte ihn jedoch in die Seite. »Ich habe nicht von dir verlangt, eine Hütte zu bauen. Inzwischen schlafe ich sehr gern unter freiem Himmel oder im Schutz der Bäume.«
    Lena konnte nur staunen, denn die Denkweise der Tuavinn war für sie fremd, dennoch ergab sie bei genauerem Nachdenken einen Sinn, und vor allem konnte sie sich nun Ragnars seltsames Verhalten in ihrer Welt erklären. Vermutlich war das Blut der Tuavinn für seine große Vorliebe für Aufenthalte im Freien und seine Abneigung gegen Betonbauten verantwortlich gewesen. Ihre Augen schweiften zu Ragnar, der in Gedanken versunken am Feuer saß und kleine Holzstückchen in die Glut warf. Er war ihr vertraut, aber gleichzeitig fremd. Doch nicht seine muskulösere Gestalt, auch nicht seine langen Haare oder die Tätowierungen oberhalb der Ohren unterschieden ihn von dem jungen Mann, mit dem sie auf Schatzsuche gegangen war. Zunächst kam sie nicht darauf, beäugte ihn sehr lange im Schein des Feuers, und plötzlich ereilte sie die Erkenntnis. Ragnars Gesicht – es wirkte entspannt und glücklich. Seine Augen funkelten sanft im Feuerschein, um seinen Mund
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