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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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Schauplätze der Saga vom weisen Njál, und
das hatte ein Nachspiel, denn ein junges Mädchen auf einem Hof
im Rangá-Bezirk erwartete ein Kind von Student Lund. Ein
Junge wurde geboren, und die Mutter zog mit ihm nach
Hafnarfjörður. Er wurde als Gastsson ins Kirchenbuch
eingetragen, was eine gar nicht seltene Lösung der
Vaterschaftsbezeichnung war, wenn die Kindsväter sich nur kurz
im Bett der Kindsmutter aufgehalten hatten. Aber in diesem Fall
steckte auch noch etwas mehr dahinter, denn der Vorname des
Professors, Gaston, erinnerte an das deutsche Wort Gast und konnte
so ausgelegt werden. Dieser Junge wuchs bei seiner Mutter auf und
kannte seinen Vater überhaupt nicht. Seine Mutter hatte ihm
erzählt, dass sein Vater ein hochgelehrter Mann sei, aus
angesehener Familie stammte und beim dänischen König in
hohen Ehren stand. Der Junge war stolz auf seinen Vater und auf
alles, was dänisch war und mit dem König in Verbindung
stand. Im Sommer 1936 kam dann Professor Lund noch einmal nach
Island, diesmal im Gefolge des dänischen Königs Christian
X., und sein Name erschien in den isländischen Zeitungen. Die
Mutter wollte ihren Sohn mit seinem Vater zusammenbringen, der im
Hotel Borg wohnte, sie wollte die beiden miteinander bekannt
machen. Das war der einzige Grund, und sie verfolgte keinerlei
Nebenabsichten. Aber Lund reagierte auf die schlimmste Art und
Weise, er erklärte die Frau für verrückt und lehnte
es rundheraus ab, etwas mit diesem Bankert zu tun zu haben.
Beschämenderweise ließ er Mutter und Sohn gewaltsam aus
dem Hotel entfernen. Es war ein furchtbarer Schock für die
zarte Seele des Jungen, der in dem Traum von seinem berühmten
Vater lebte, der im Ausland mit Königen und Königinnen
verkehrte und eine so wichtige Stellung hatte, dass er sich nicht
um Mutter und Sohn in Island kümmern konnte. Sein
Selbstvertrauen war völlig zerstört, und auch seine
Mutter verwandelte sich von einer stolzen, tüchtigen Mutter in
eine ständig nörgelnde und deprimierte Person, die um die
einzige Anerkennung betrogen wurde, die sie im Leben ersehnt hatte.
Zehn Jahre später starb sie an Tuberkulose. Ihr Sohn war
Bryngeir Gastsson. Ich habe eine Zeit lang mit ihm zusammengelebt,
und ich weiß, dass er auch in dein Leben schicksalhaft
eingegriffen hat. Lund hat sich danach all die Jahre nicht mehr
nach Island getraut und kam erst im letzten Sommer, und er
versuchte, um jeden Preis eine weitere Begegnung mit der Mutter
seines Kindes und seinem Sohn zu vermeiden, indem er unter falschem
Namen reiste.«

Achtundfünfzig
    Kjartan versuchte, sich etwas hinzulegen, nachdem Grímur und
er von Ketilsey zurückgekehrt waren, aber er konnte nicht
einschlafen, sondern lag nur da und wälzte sich im Bett, bis
er es aufgab und beschloss, stattdessen einen Spaziergang zu
machen, um sich etwas zu beruhigen. Er ging den Pfad zur Kirche
hinauf und sah Kormákur Kolk, der neben der Fahnenstange
stand und sich auf seinen Stock stützte. Er trug seinen besten
Anzug, der aber jetzt nach dem häufigen Gebrauch der letzten
Tage in unterschiedlichen Situationen ziemlich zerknittert und
schmierig aussah. Zu seinen Füßen lag ein alter
Seesack.
    »Guten Morgen, mein lieber
Vize-Bezirksamtmann«, sagte Kormákur Kolk, als er
Kjartan bemerkte.
    »Guten Morgen, lieber
Kolk«, erwiderte Kjartan. »Das Wetter scheint besser zu
werden.«
 
    »Ja, das passt gut, wenn man
eine Reise unternehmen muss«, sagte Kolk, und beide schwiegen
eine Weile. 
    »Du machst eine Reise?«,
fragte Kjartan dann.
    »Ja, die wollen mich auf dem
Küstenwachboot mitnehmen, um sich genauer mit mir über
meine nächtliche Herumtreiberei mit der Leiche des Reporters
zu unterhalten. Die Ärzte in der Irrenanstalt sollen jetzt mal
untersuchen, ob ich verrückt bin oder noch
Schlimmeres.«
    »Das ist vielleicht nicht
verwunderlich«, sagte Kjartan.
    Kormákur Kolk runzelte die
Brauen und schnitt eine Grimasse. »Nein, das ist richtig, das
kommt Fremden vielleicht äußerst dubios vor, aber
trotzdem glaube ich, dass das Ganze seinen Zweck gehabt hat. Warten
wir es ab. Der alte Jón Ferdinand muss auch mit nach
Reykjavík, der soll ebenfalls untersucht
werden.«
    Kjartan nickte. »Er muss
irgendwo an einem guten Ort untergebracht werden. Sein Sohn Valdi
kann das einfach nicht mehr schaffen, wenn sich sein Zustand noch
mehr verschlechtert.«
    Kormákur Kolk ergriff Kjartans
Hand und sagte: »Das Schlimmste ist, dass ich dich und
Jóhanna in diese Schwierigkeiten gebracht
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