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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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Gedanken
gewesen.
    Die Felsen von Ketilsey glänzten
in der Morgensonne, als sie sich ihrem Ziel näherten. Da
entdeckten sie ein schwarzes Boot, das etwa drei Kilometer westlich
von der Insel herumdümpelte. Als sie sich dem Boot
näherten, sahen sie, dass Jón Ferdinand beim
Maschinenraum stand und verständnislos auf das Meer
hinausstarrte. Er zitterte vor Kälte, und im Schritt und an
den Schenkeln herunter breitete sich ein dunkler Fleck
aus.    
    »Er hat sich voll
gepinkelt«, sagte Grímur leise. Der alte Mann setzte
sich auf die Ruderbank, als sie näher kamen, aber es war ihm
nicht anzumerken, ob er sie wahrnahm. Grímur streckte die
Hand nach dem Tau in dem anderen Boot aus und band es hinten an
seinem Boot fest. Dann fuhr er halbe Kraft voraus nach Ketilsey.
Sie sahen Valdi, lange bevor sie bei der Insel landeten. Er stand
auf der höchsten Stelle und schwenkte seinen Pullover. Dann
kam er wutentbrannt zur Landestelle
hinuntergerannt.
    »Was in aller Hölle ist
dir bloß eingefallen, mich da zurückzulassen«,
brüllte er, als sie in Rufweite waren.
    »Ruhig Blut, mein lieber Valdi,
dein Vater hat darauf keine Antwort«, sagte Grímur und
steuerte vorsichtig die Landestelle an. »Komm jetzt an Bord
und sag uns, was passiert ist.«
    Valdi kletterte zu ihnen an Bord, und
Grímur legte im Rückwärtsgang von der Insel ab.
Kurz darauf drosselten sie die Geschwindigkeit und zogen das Boot
von Endenkate an die Seite. Grímur streckte Jón
Ferdinand die Hand entgegen und half ihm, von einem Boot ins andere
zu steigen. Er drückte den Alten auf eine Ruderbank und legte
ihm sein Jackett um die Schultern. Dann ging es mit dem Boot von
Endenkate im Schlepptau volle Kraft voraus zurück nach Flatey.
Jón Ferdinand saß stocksteif auf der Bank und starrte
verständnislos in das Kielwasser. Hin und wieder rief er mit
gebrochener Stimme: »Jungs, wo sind die
Netze?«
    Valdi versuchte sich zu beruhigen,
aber seine Stimme zitterte immer noch vor unterdrückter Wut:
»Der dämliche Alte hat mich einfach da auf der Insel
zurückgelassen.«
    Grímur nickte schweigend,
während Valdi mit zittriger Stimme fortfuhr: »Wir haben
die Runde bei den Eiderentennestern gemacht und Daunen gesammelt,
als ich auf einmal bemerkte, dass er wieder unten beim Boot war.
Ich dachte aber, dass er vielleicht Eier oder einen Daunensack
abladen wollte, und habe nicht weiter auf ihn geachtet, aber dann
hörte ich auf einmal, wie er den Motor ankurbelte. Ich bin
sofort losgerannt, aber er hatte abgelegt und war schon ein ganzes
Stück entfernt, als ich zur Anlegestelle kam. Er hat sich
nicht mal umgeschaut. Ich habe geschrien, was ich konnte, aber er
starrte nur nach vorn, so als sei er völlig allein auf der
Welt. Von weitem habe ich dann gehört, wie der Motor anfing zu
stottern, und seitdem ist das Boot hier den ganzen Tag und die
ganze Nacht hin und her getrieben worden. Ich habe aus
Leibeskräften gebrüllt, aber er schien nichts zu
hören oder zu verstehen.«
    Grímur holte die Proviantbox
hervor und gab den Männern etwas zu essen. Viel mehr wurde auf
dem Weg nach Flatey nicht geredet.
    Als sie sich der Insel gegen Mittag
näherten, sahen sie, dass vor der Kirche halbmast geflaggt
war. Auf dem Friedhof waren Menschen unterwegs.
    »Da wird Björn Snorri
beerdigt«, sagte Grímur. »Ursprünglich
sollte es in aller Stille geschehen, bevor das Küstenwachboot
mit den Beamten und den Gefangenen nach Reykjavík auslief.
Aber das ist jetzt Gott sei Dank nicht mehr
nötig.«
    Der Gemeindevorsteher steuerte sein
Boot am Küstenwachschiff vorbei zum Brückenkopf. Der
kleine Nonni stand einsam auf dem Kai und trippelte ab und zu ein
paar Schritte vor oder zurück. Sie vertäuten das Boot am
Kai und kletterten die Mauer hoch.
    »Nimm jetzt deinen alten Vater
mit nach Hause, mein lieber Valdi«, sagte Grímur,
»und versucht mal, euch ein wenig
hinzulegen.«
    Grímur und Kjartan blickten
hinter den dreien her, die den Pfad entlanggingen, ohne sich
umzublicken, dann wandte sich Grímur dem
Küstenwachschiff zu.  

    »Ich muss wohl noch einmal mit
den Kriminalbeamten sprechen«, sagte er
müde.
    »... Gaston Lunds Besuch in
Island im letzten Herbst war nicht sein erster. Er kam im Sommer
1926 zum ersten Mal, und zwar zusammen mit einigen Studienkollegen
von der Kopenhagener Universität. Es waren junge und
unternehmungslustige Männer, die in den Wochen, die sie auf
Island verbrachten, einiges Aufsehen erregten. Sie bereisten unter
anderem die
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