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Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Titel: Das Rätsel der Rückkehr - Roman
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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zufälligen Feste am Straßenrand. Eine der wenigen Feiern auf dem Land, die nur die Sterblichen angehen. Dazu reicht eine Gitarre, eine Flasche Rum und ein paar Freunde, die sich seit der Kindheit kennen. Die kleine Gruppe macht sich auf zum Friedhof, ans Grab der jungen Verlobten des Gitarrenspielers, die zu Beginn des letzten Jahres starb. Sie sind jetzt auf der anderen Seite des Hügels. Dieses Lied ist noch herzzerreißender, wenn man den nicht sieht, der es singt.
    Wir sind eine gute Stunde gefahren, bis wir einen so lauten Knall hörten, dass man es für einen Schuss halten konnte. Leute kamen erschrocken aus ihren Häusern. Ein kleiner Junge zeigt mit dem Finger auf unser linkes Vorderrad – schon platt. Wir schieben den Wagen auf den Fahrbahnrand, um den hinteren Kofferraum zu öffnen. Kein Ersatzreifen. „Meine Schuld“, murmelt ein wirklich zerknirschter Monsieur Jérôme. Wir müssen den kaputten Reifen reparieren lassen. Monsieur Jérôme rollt ihn zur fünf Kilometer entfernten Tankstelle. Wir warten beim Wagen auf ihn. Mein Neffe nutzt die Zeit, im kleinen Bach unterhalb der Klippe zu baden. Das Wasser scheint so kühl, dass es einen bläulichen Schimmer hat. Ich höre das Lachen meines Neffen, der versucht, kleine fliegende Fische zu fangen. Zwei Bauern, auf dem Rückweg vom Feld, beobachten ihn mit ruhiger Miene. Immer schwierig herauszufinden, was sie denken, oder ob man nicht gar ein Tabu verletzt. Mein Neffe scheint ein Vergnügen wieder zu finden, das sein Körper vergessen hatte. Man stellt sich kaum vor, wie hoch der Druck ist, den eine Stadt wie Port-au-Prince auf die Nerven eines sensiblen jungen Mannes ausüben kann.
    Eine Dame kam, bot mir, wie es Brauch ist, eine Tasse stark gesüßten Kaffee an, ich trinke ihn, auf der Haube des Wagens sitzend. Ein kleiner Junge, der in der Nähe wohnt, bringt mir einen Stuhl. Und das kleine Mädchen will, dass ich seine Beweglichkeit bewundere, indem es Pirouetten mit seinem Springseil vollführt. Kaum senkt sich der Abend, schon ist die Musik der Stechmücken zu hören, die sich auf den Angriff vorbereiten. Da kommt Monsieur Jérôme mit dem reparierten Reifen in einer Schar von Kindern, die ihn umringen.
    Der Chauffeur hat länger gebraucht, weil er in der Gegend eine Frau kennt. Indem ich aufmerksam der Entwicklung seiner Gedanken folge, bekomme ich heraus, dass sie zusammen zwei Kinder haben. Ist sie Ihre Frau? Nein. Die Kinder sind von ihm, gehören ihm aber nicht. Was heißt das? Er versucht, mir eine Lage zu erläutern, die ihm in höchstem Maße peinlich ist. Je mehr er in die Einzelheiten geht, umso tiefer wird das Geheimnis. Falls ich ihn richtig verstehe, hat am Ende sein Vater die beiden Jungen anerkannt, weil er bei ihrer Geburt noch minderjährig war. Dann müssten sie heute erwachsen sein? Sein Gesicht hellt sich auf. Sie sind gute Arbeiter und vor allem hochanständig. Einer ist Schuster in Les Cayes und der andere Automechaniker in Port-au-Prince. Wo ist also das Problem? Die Geschichte war ziemlich kompliziert. Der Vater der Frau hat ihm nie verziehen, dass er dessen Pläne durchkreuzte. Er hatte für seine Tochter Besseres im Auge. Der Vater hat geschworen, ihm den Kopf abzuschlagen, falls er sich jemals wieder dem Haus näherte. Bis heute? Er ist jetzt alt, aber noch kräftig und nach wie vor wütend. In diesem ländlichen Winkel vergisst man nie. Für Monsieur Jérôme kommt jetzt offenbar der schwierigste Punkt seiner Geschichte: Er möchte, dass ich an seiner Stelle die Frau grüßen gehe und ihr unauffällig ein Kuvert zustecke. Und wenn ihr Vater mich erwischt und mir den Kopf abschlägt? Monsieur Jérômes Gesicht wird dunkler, aber er fügt sofort hinzu, das ist überhaupt nicht seine Art, er ist ein sehr höflicher Mann. Außer wenn es sich um ihn, um Jérôme handelt. Er bedankt sich bei mir und entschuldigt sich tausendmal, einen solchen Dienst von mir zu erbitten.
    Ich bin ein wenig eingenickt
    trotz der Rückenschmerzen.
    Schon seit zwei Nächten schlafe ich
    zusammengekrümmt im Wagen.
    Ich würde mich so gern in einem richtigen Bett ausstrecken.
    Ich hätte gern die Einladung angenommen
    zur Übernachtung bei dem reichen Bauern,
    hätte ich nicht fürchten müssen, seine Tochter
    in meinem Bett zu finden,
    mich in eine verflixte Geschichte von verlorener Ehre zu verstricken,
    das Ende dann ein Schlag mit der Machete.
    Eine rote Perlenkette.
    Es ist nicht so, dass sie mich
    für eine gute Partie halten würden.
    Bei
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