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Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Titel: Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan
Autoren: Carlos Castaneda
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Ich glaubte tatsächlich, ich hätte den perfekten anthropologischen Informanten über Schamanimus gefünden. Dies war die Zeit, als ich unter Don Juans Anleitung und unter seinem Einfluss Tagebücher schrieb und alte Landkarten sammelte, auf denen die Lage yaqui-indianischer Städte im Lauf der Jahrhunderte verzeichnet war, angefangen bei den Chroniken der Jesuiten aus dem späten 18. Jahrhundert. Ich registrierte all diese Orte und stellte die subtilsten Veränderungen fest und begann nachzugrübeln, warum diese Städte an andere Schauplätze verlegt worden waren und warum sie bei jedem Umzug nach leicht abgewandelten Mustern wieder aufgebaut wurden. Ich war von - Pseudospekulationen über die Vernunft und von vernünftigen Zweifeln überwältigt. Ich sammelte tausende Blätter mit Kurznotizen und Vermutungen, die ich aus Büchern und Chroniken abschrieb. Ich war der perfekte Student der Anthropologie. Don Juan spornte meine Phantasie in jeder Hinsicht an. »Es gibt keine Freiwilligen auf dem Pfad der Krieger«, sagte Don Juan zu mir, unter dem Vorwand einer Erklärung. »Der Mensch muss gegen seinen Willen auf den Pfad der Krieger gezwungen werden.«
    »Was soll ich mit den lausenden Notizen machen, Don Juan, die du mich zu sammeln überlistet hast?«, fragte ich ihn damals.
    Seine Antwort war direkt ein Schock für mich. »Schreib ein Buch darüber!«, sagte er. »Ich bin sicher, wenn du anfängst zu schreiben, wirst du diese Notizen ohnehin nicht mehr verwenden. Sie sind nutzlos, aber wer bin ich, dir das zu sagen? Finde es selbst heraus. Aber versuche nicht, als Schriftsteller ein Buch zu schreiben. Bemühe dich, es als Krieger zu tun, als Schamanenkrieger. « »Wie meinst du das, Don Juan?« »Ich weiß nicht. Finde es selbst heraus. « Er hatte völlig Recht. Ich habe diese Notizen nie verwendet. Stattdessen schrieb ich schließlich, ohne es zu wollen, ein Buch über die unvorstellbaren Möglichkeiten der Existenz eines anderen kognitiven Systems.

 
Zitate aus 
Eine andere Wirklichkeit
     
    Ein Krieger weiß, dass er nur ein Mensch ist. Er bedauert lediglich, dass sein Leben so kurz ist und dass er nicht all die Dinge festhalten kann, wie er möchte. Dies aber ist kein Problem für ihn; es ist nur schade.
     
    Wenn man sich wichtig nimmt, wird man schwerfällig, unbeholfen und eitel. Um ein Krieger zu sein, muss man leicht und beweglich bleiben.
     
    Als Energiefelder gesehen, erscheinen die Menschen wie Lichtfasern, wie weißes Spinnengewebe, ganz feine Fäden, die zwischen Kopf und Zehenspitzen kreisen. Für das Auge eines Sehers sieht der Mensch also aus wie ein Ei aus kreisenden Fasern. Und seine Arme und Beine sind wie leuchtende Borsten, die nach allen Richtungen abstehen.
     
    Der Seher sieht, dass jeder Mensch mit allem anderen in Kontakt ist, nicht durch seine Hände, sondern durch ein Bündel langer Fasern, die nach allen Richtungen aus seiner Leibesmitte hervorschießen. Diese Fasern verbinden den Menschen mit seiner Umgebung; sie halten ihn im Gleichgewicht; sie geben ihm Stabilität.
     
    Wenn ein Krieger sehen lernt, sieht er, dass der Mensch ein leuchtendes Ei ist, sei er ein Bettler oder ein König, und dass es keine Möglichkeit gibt, irgendetwas daran zu ändern; oder vielmehr, was könnte man an diesem leuchtenden Ei verändern? Was?
     
    Ein Krieger sorgt sich nie um seine Furcht. Lieber denkt er an das Wunder, Energie fließen zu sehen! Der Rest ist Einbildung, nichts als unnötige Einbildung.
     
    Nur ein Knallkopf würde sich der Aufgabe unterziehen, aus eigenem Antrieb ein Wissender zu werden. Ein vernünftiger Mensch muss dazu überlistet werden. Es gibt Tausende, die sich mit Freuden der Aufgabe unterziehen würden, aber sie zählen nicht. Meistens haben sie einen Knacks. Sie sind wie Kalebassen, die äußerlich gut aussehen und dennoch tropfen, sobald man sie belastet, sobald man sie mit Wasser füllt.
     
    Für einen Menschen, der sich nicht mit dem Sehen befasst, erscheinen die Dinge, jedes Mal wenn er die Welt betrachtet, ziemlich gleich. Wenn aber er zu sehen lernt, ist nichts mehr sich gleich, jedes Mal wenn er es sieht, und doch ist es das Gleiche. Für das Auge eines Sehers ist ein Mensch wie ein Ei. Jedes Mal wenn er denselben Menschen sieht, sieht er ein leuchtendes Ei, und doch ist es nicht dasselbe leuchtende Ei.
     
    Die Schamanen des alten Mexiko gaben unerklärlichen Kräften, die auf sie einwirkten, den Namen Verbündete. Sie nannten sie Verbündete, weil sie
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