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Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Titel: Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan
Autoren: Carlos Castaneda
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genug sein, um unsere einzige gangbare Alternative aufzuwiegen: unsere unabänderliche Begegnung mit dem Unendlichen.
     
    Alles ist nur einer von Millionen Wegen. Darum muss ein Krieger immer bedenken, dass ein Weg nur ein Weg ist; wenn er spürt, dass er ihn nicht beschreiten sollte, darf er ihm unter keinen Umständen folgen. Seine Entscheidung, diesen Weg weiterzugehen oder ihn zu verlassen, muss frei sein von Furcht oder Ehrgeiz. Er soll sich jeden Weg genau und aufmerksam ansehen. Dann kommt die Frage, die ein Krieger sich unbedingt stellen muss: Ist dies ein Weg mit Herz? Alle Wege sind sich gleich: sie führen nirgendwo hin. Doch ein Weg ohne Herz ist nie erfreulich. Ein Weg mit Herz dagegen ist leicht - der Krieger braucht sich nicht anzustrengen, ihn zu lieben; solch ein Weg gewährt eine fröhliche Reise. Solange der Mensch ihm folgt, ist er eins mit ihm.
     
    Es gibt eine Welt des Glücks, wo kein Unterschied zwischen den Dingen besteht, weil niemand da ist, um nach dem Unterschied zu fragen. Dies aber ist nicht die Welt der Menschen. Manche Menschen haben die Eitelkeit zu glauben, sie lebten in zwei Welten, aber das ist nur ihre Eitelkeit. Es gibt nur eine einzige Welt für uns. Wir sind Menschen und müssen mit der Welt der Menschen auskommen.
     
    Der Mensch hat vier natürliche Feinde: die Angst, die Klarheit, die Macht und das Alter. Angst, Klarheit und Macht lassen sich überwinden, nicht aber das Alter. Seine Wirkung lässt sich aufschieben, aber nie lässt es sich überwinden.

 
Kommentar
    Die Essenz dessen, was Don Juan mir am Anfang meiner Lehrzeit sagte, ist im abstrakten Charakter der Zitate eingefangen, die ich aus dem ersten Buch, Die Lehren des Don Juan, ausgewählt habe. Damals, als die in diesem Buch beschriebenen Ereignisse stattfanden, sprach Don Juan oft über Verbündete, Kraftpflanzen, Mescalito, den kleinen Rauch, den Wind, die Geister von Bächen und Bergen, den Geist der Wüste usw. Wenn ich ihn später fragte, warum er so viel Nachdruck auf diese Elemente gelegt hatte und warum er sie nicht mehr erwähnte, gab er unverfroren zu, dass er zu Beginn meiner Lehrzeit all dieses pseudoindianische Schamanengefasel nur um meinetwillen losgelassen habe. Ich war platt. Ich fragte mich, wie er so etwas sagen konnte, da es offensichtlich nicht stimmte. Er hatte es wirklich ernst gemeint, was er über diese Elemente seiner Welt sagte, und ich war gewiss der Mann, die Aufrichtigkeit seiner Worte und Stimmungen zu bestätigen.
    »Nimm es nicht so ernst«, sagte er lachend. »Es war ganz lustig für mich, all den Quatsch loszulassen, und es war noch lustiger, weil ich wusste, dass ich es um deinetwillen tat. «
    »Um meinetwillen, Don Juan? Ist das wohl eine geistige Verirrung?«
    »Ja, um deinetwillen. Ich habe dich überlistet, indem ich deine Aufmerksamkeit auf Dinge deiner Welt lenkte, die für dich von höchster Faszination waren, und du hast den Köder geschluckt, mitsamt Haken, Schwimmer und Leine. Ich wollte ja nur deine ungeteilte Aufmerksamkeit wecken. Aber wie sollte ich das machen, da du einen so undisziplinierten Geist hattest? Du selbst sagtest mir immer wieder, dass du bei mir geblieben bist, weil das, was ich über die Welt sagte, für dich faszinierend war. Was du nicht ausgesprochen hast, war, dass die Faszination, die du spürtest, auf der Tatsache beruhte, dass alle diese Elemente, von denen ich sprach, dir unbestimmt bekannt vorkamen. Du dachtest natürlich, diese Unbestimmtheit sei Schamanismus, und du bist darauf reingefallen, das heißt, du bist geblieben. « »Machst du das mit jedem so, Don Juan?« »Nicht mit jedem, weil nicht jeder zu mir kommt, und vor allem bin ich nicht an jedem interessiert. Ich war und bin an dir interessiert, an dir allein. Mein Lehrer, der Nagual Julian, überlistete mich auf die gleiche Weise. Er überlistete mich mit meiner Sinnlichkeit und Habgier. Er versprach mir all die schönen Frauen, die ihn umgaben, und er versprach, mich mit Gold zu überhäufen. Er versprach mir ein Vermögen, und ich fiel darauf herein. Alle Schamanen meiner Tradition mussten auf diese Weise überlistet werden, seit undenklichen Zeiten. Die Schamanen meiner Traditionslinie sind keine Lehrer oder Gurus. Sie pfeifen darauf, ihr Wissen zu lehren. Sie brauchen Erben ihres Wissens, nicht Leute, die sich unbestimmt, aus intellektuellen Gründen, für ihr Wissen interessieren. « Don Juan hatte Recht, wenn er sagte, dass ich restlos auf seine Taktik hereingefallen sei.
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