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Das Prometheus Projekt

Das Prometheus Projekt

Titel: Das Prometheus Projekt
Autoren: Volker C Dützer
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denken, setzte zeitweise aus. Im Badezimmer steckte den Kopf unter den eiskalten Wasserstrahl der Dusche. Sein Schädel fühlte sich an wie ein heißgelaufenes Radio vor dem endgültigen Kurzschluss. Endlich drehte er den Hahn zu und starrte in den Spiegel. Er war vierunddreißig. Schlank war er immer gewesen, aber nun wirkte er hager. Das letzte Jahr hatte seine Züge ausgezehrt und entlang seiner Mundwinkel zwei tiefe Kerben eingemeißelt. Das dichte, hellbraune Haar zeigte noch keine Spur von grau und doch wirkte er älter als Mitte dreißig. Seine blauen Augen waren gerötet und brannten fiebrig. Er sah nicht nur Gespenster - wenn er so weiter machte, spukte er bald selbst um Mitternacht durch das Haus.
    Ein Gefühl der Unruhe trieb ins Schlafzimmer. Er musste sichirren, etwas anderes war unvorstellbar. Sein Verstand war so mit der Erinnerung an Christina beschäftigt, seine Trauer so überwältigend, dass seine Augen ihm ihr Bild vorgaukelten. Sicher, die Fremde dort unten in seiner Praxis sah ihr ähnlich, aber sie war nicht Christina, konnte es nicht sein.
    Adrian setzte sich auf das Bett und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Er griff nach dem gerahmten Foto auf dem Nachttisch, aber seine Finger zitterten so sehr, dass er es umstieß. Das Bild fiel auf den Parkettboden, das Glas zerbrach. Vorsichtig nahm er das Foto aus dem Rahmen. Auf der Rückseite stand in seiner eigenen unleserlichen Handschrift: „Korfu 2005“. Das Bild zeigte Christina während einer Urlaubsreise vor drei Jahren. Sie versprühte darauf all ihre Lebendigkeit und Energie, und sie sah trügerisch gesund aus.
    Christina hatte intensiv gelebt, mit Hingabe und Leidenschaft. Sie hatte stets all jene kleinen Wunder und Schönheiten des Lebens bemerkt, an denen die meisten Menschen achtlos vorübergingen; ohne zu ahnen, wie wenig Zeit ihr noch blieb.
    Der Wodka brannte sauer in seinem leeren Magen. Das wäre natürlich eine einleuchtende Erklärung: Er näherte sich dem Delirium. Es hatte keinen Unfall gegeben und keine wiedererwachte Christina Sykes. Die letzte Stunde war lediglich ein Produkt seiner Einbildung. Es war sogar das Wahrscheinlichste. Ginge er jetzt gleich nach unten, würde er das vorfinden, was er zurückgelassen hatte: Eine Batterie leerer Schnapsflaschen und ein verwaistes Behandlungszimmer, angefüllt mit den Hirngespinsten seines überreizten Verstandes.
    Mit der Fotografie in der Hand ging er hinunter in die Küche. Dort holte er sämtliche Alkoholvorräte aus den Schränken und kippte sie der Reihe nach in den Ausguss. Er fing an zu kichern. Für jemanden, der plante, sich das Leben zu nehmen, war er bemerkenswert um seine Gesundheit besorgt.
    Und dann war die Erkenntnis da: Erschrocken ließ er eine halbleere Wodkaflasche fallen, die klirrend auf den Fliesen zerbarst. Das verrückte Verhalten des Hundes. Es war keine Halluzination gewesen! Auch Jack hatte sich von der Ähnlichkeit täuschen lassen!
    Adrian ging über den kurzen Flur und gab der Tür zum Behandlungszimmer einen Stoß. Jack hob den Kopf. Er saß neben der Ruheliege und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Du bist doch Arzt! Tu was! Unternimm was! Oder willst du sie hier verbluten lassen?“, fragten seine Hundeaugen.
    Die Fremde lag noch immer dort, wie er sie verlassen hatte. Die Platzwunde über der Augenbraue blutete nur noch schwach, ein feines rotes Rinnsal lief an ihrer Schläfe herab. Adrian starrte abwechselnd auf das Foto und die Frau. Es gab einfach keinen Zweifel. Die Frau sah Christina nicht einfach nur ähnlich, sie glich ihr aufs Haar. Und doch war es unmöglich. Christina Sykes war tot und begraben.
    Ihre Augenlider öffneten sich einen Spalt, sie kam zu sich. Langsam drehte sie den Kopf und blickte ihn an. Adrians Herz setzte für einen Moment aus. Die Frau dort auf der Liege hatte Christinas dunkelbraune Augen, den gleichen wachen, lebendigen Blick.
    Konnte es sein, dass Gott das Spiel umgedreht hatte und ihm eine Wette vorschlug? Er versuchte, den absurden Gedankenzu vertreiben, aber es gelang ihm nicht.
    Das Blut an ihrer Schläfe brachte ihn zurück in die Wirklichkeit, der Arzt in ihm gewann die Oberhand. Er desinfizierte die Wunde und legte ein Druckpflaster an. Dann leuchtete er in ihre Pupillen. Beruhigt stellte er fest, dass sie gleich groß waren, und sie schielte nicht – kein Schädel-Hirn-Trauma also, wie er bereits vermutet hatte.
    Die gewohnten Handgriffe beruhigten seine überreizten Nerven. Sie ließ die Behandlung
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