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Das Pharma-Kartell

Das Pharma-Kartell

Titel: Das Pharma-Kartell
Autoren: Christina Czarnowske
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einer bescheidenen Summe. Wahrscheinlich hat er fast sein ganzes Gehalt nach Paris überweisen lassen.
    Es ist Zeit, mit Fabre zu reden, der rauchend neben dem Ventilator auf dem Bett sitzt und mich aufmerksam betrachtet. Ich schaue auf meine Uhr: halb drei. Die Pension schläft, nirgendwo ein Laut. Durch das offene Fenster kommen Schwärme von Nachtfaltern herein, umkreisen wie eine Wolke die Lampe.
    „Darf ich Sie um ein bisschen von Ihrem Schlaf bringen?“, frage ich. „Wer weiß, ob wir morgen genug Zeit haben.“
    „Selbstverständlich.“
    „Ich möchte Sie bitten, mir etwas über Doktor Larchey zu erzählen. Einfach so, damit ich mir ein Bild von ihm machen kann. Zuvor jedoch eine Frage.“
    „Bitte.“
    „Meinen Sie“, ich wähle sorgfältig die Worte, „dass er das Land illegal verlassen hat?“
    „Geflohen? Nein!“
    Er sagt es bestimmt, ohne den Schatten eines Zweifels.
    „Wieso glauben Sie das?“
    „Wissen Sie… das ist schwer zu sagen, er ist einfach nicht der Mensch danach. Hat er einen Entschluss gefasst, geht er bis ans Ende. Er könnte sich den Kopf einrennen, aber er hält aus. Davonlaufen wird er nicht.“
    „Und wo meinen Sie, ist er hingegangen?“
    „Ich weiß es nicht. Ich fürchte, es ist etwas passiert.“
    „Entführt? Ermordet? Ein Unfall?“
    „Keine Ahnung. Ein Unfall ist es auf keinen Fall. Vom Quartierbüro holen sie uns in einem fort ins Leichenschauhaus zur Identifizierung… Im Krankenhaus haben wir nachgefragt… Da ist er nicht.“
    Das wär’s. Einen Teil der Ermittlungen haben sie durchgeführt, soweit sie eben dazu in der Lage waren. Das andere kommt auf mich zu, schon morgen früh. Was heißt morgen früh? Es ist schon morgen – in ein, zwei Stunden wird es hell.
    „Sagen Sie mir etwas über ihn. Was hat er hier für Freunde?“
    Kylian Fabre lässt sich mit der Antwort Zeit. Er zieht das Päckchen Zigaretten aus der Tasche, zündet sich die nächste an.
    „Enzo hat fast keine Freunde“, beginnt er. „Ich bin einer der wenigen, aber ich weiß auch nichts… Ein schwieriger Charakter. Er gibt nichts auf die Meinung der anderen, nur was er denkt, ist richtig. Was anderes lässt er nicht gelten. Und starrköpfig ist er, unnachgiebig… Bis zur Verbohrtheit. Spielen Sie Schach?“
    „Ja. Weshalb?“
    „Erfahrene Spieler, wenn sie sehen, dass sie verlieren, geben auf und fangen eine neue Partie an. Doch mit ihm muss man weiterspielen, bis man ,Matt!’ sagt.“
    „Nun, das ist ja manchmal gar nicht so schlecht.“
    „Schon, aber es zeigt, dass er den Gegner nicht respektiert. Genau das – er respektiert den Gegner nicht.“
    Fabre zieht an seiner Zigarette und fährt fort: „Und jetzt stellen Sie sich einen solchen Menschen vor, der klug ist und etwas kann. Er hat glänzende Ideen und kann es nicht ertragen, dass jemand an seinen Ideen zweifelt. Aber die Leute zweifeln, bei uns in der Produktion wird nichts auf bloßen Glauben hin akzeptiert. Und er ist ständig mit irgendwem über Kreuz. Ich gelte als jemand, der sich mit ihm versteht, aber er auch mit mir… Da kommt er vor zehn Tagen an, schlägt eine Verbesserung im Versuchsfermentator vor, verlangt Monteure. Ich sehe, dass seine Idee nicht dumm ist, aber meine Monteure haben Termine einzuhalten, das geht nicht einfach so! Und ich erkundige mich vorsichtig, ob’s nicht noch ein bisschen Zeit hat… Und er darauf sofort: ,Ihr steckt alle unter einer Decke, um die Versuchsanlage abzuwehren!’ Wer sollte sie abwehren und weshalb? Als ob mir das Werk nicht auch am Herzen läge. Er stürmt hinaus, und danach, was muss ich sehen? Reicht bei mir eine Beschwerde gegen mich ein! Können Sie sich das vorstellen?“
    Ich kann es mir vorstellen. Genauso sieht er auf den Fotos auf den Fragebögen aus. Harte graue Augen, kurz geschnittenes Haar, leicht vorstehendes Kinn. Solche Leute können für das kämpfen, was sie sich in den Kopf gesetzt haben. Der glänzende Verstand ist bei ihnen reichlich mit Ehrgeiz und Überheblichkeit ausgefüttert. Sie gehen, ohne nach rechts und links zu sehen. Aber man muss ihnen Mut und Entschlossenheit zugestehen. Wie sie bereit sind, die anderen zu opfern, so opfern sie sich auch selbst. Und es stimmt nicht, dass diese Meinung ständige Bewunderung ist.
    „Die Auskünfte über ihn sind … ausgezeichnet“, werfe ich vorsichtig ein.
    „Sie haben die Beurteilungen gelesen, nicht wahr?“, sagt Fabre mit einem schiefen Lächeln. „Wie sollen die nicht ausgezeichnet sein? Die
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