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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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Alphabet hat, kann es Monate dauern, bis man diesen Text aus der Thora vortragen kann.
    Ich schrieb mich an der Hebräisch-Schule in Sherman Oaks ein, flog dort aber wegen Faulheit bald wieder raus. Mutter fand schließlich einen Kantor, der mir Einzelunterricht gab, sodass ich unter dem Tisch keine Technik-Bücher mehr lesen konnte. Ich lernte gerade genug, um mich nicht zu blamieren und ohne größeres Stocken die Passage aus der Thora vorzulesen.
    Danach schimpften meine Eltern, ich hätte den Akzent und die Gesten des Rabbis nachgeahmt. Aber das war unbewusst. Später machte ich die Erfahrung, dass das eine sehr effektive Technik ist, weil Menschen sich von anderen angezogen fühlen, die ihnen selbst ähnlich sind. Also praktizierte ich schon sehr früh und unbewusst das, was als »Social Engineering« bekannt wurde: Menschen unabsichtlich oder gezielt so zu beeinflussen, dass sie Dinge taten, die sie normalerweise nicht getan hätten. Und das, ohne dass sie Verdacht schöpften.
    Unter den Geschenken, mit denen die Verwandten und andere Gäste des Bar-Mizwa-Empfangs im Odyssey Restaurant mich überschütteten, waren auch einige US-Staatsanleihen, die zusammen überraschend viel wert waren.
    Ich war ein leidenschaftlicher Leser mit einer besonderen Vorliebe, die mich schließlich zum Survival Bookstore in Nord-Hollywood führte. Der Laden war klein, lag in einer heruntergekommenen Gegend und wurde von einer freundlichen, blonden Frau mittleren Alters geführt, die mir gleich das »Du« anbot. Mir war, als hätte ich die Schatzkiste eines Piraten gefunden. Meine Idole damals waren Bruce Lee, Houdini und Jim Rockford, der coole Privatdetektiv, der in Detektiv Rockford – Anruf genügt von James Garner gespielt wird. Rockford konnte blitzschnell Schlösser knacken, Menschen manipulieren und eine falsche Identität annehmen. Das alles wollte ich auch können.
    Der Survival Bookstore führte Bücher, in denen stand, wie man all diese raffinierten Rockford-Sachen machte, und vieles andere mehr. Mit dreizehn verbrachte ich ganze Wochenenden dort und verschlang ein Buch nach dem anderen. Darunter waren Bücher wie The Paper Trip von Barry Reid, in dem stand, wie man eine neue Identität mithilfe der Geburtsurkunde eines Verstorbenen erschuf.
    The Big Brother Game von Scott French wurde meine Bibel, weil es vollgestopft war mit Details darüber, wie man an die Einträge im Verkehrszentralregister und in den Grundbüchern, an Kreditinformationen und Bankdaten, unveröffentlichte Telefonnummern und sogar an Daten der Polizei rankam. (Viel später, als French einen Nachfolgeband schrieb, rief er mich an und fragte, ob ich ein Kapitel über Social Engineering bei Telefongesellschaften schreiben wolle. Zu der Zeit schrieben mein Co-Autor und ich jedoch an unserem zweiten Buch, Die Kunst des Einbruchs, weshalb ich für sein Projekt keine Zeit hatte. Aber es amüsierte mich und schmeichelte mir, dass ausgerechnet French mich fragte.)
    Diese Buchhandlung quoll über von »Underground«-Büchern, in denen man Dinge lernte, die man eigentlich nicht wissen durfte – was diese Schmöker für mich, der ich schon immer gern vom verbotenen Baum der Erkenntnis naschte, umso reizvoller machte. Ich sog das Wissen in mich auf, das sich zwei Jahrzehnte später, während meiner Zeit auf der Flucht, als unbezahlbar erweisen sollte.
    Was mich an dem Laden außer den Büchern noch interessierte, waren die Werkzeuge fürs Schlösserknacken, die dort verkauft wurden. Ich kaufte ein paar und machte mich daran, ein Meister in der Kunst des Schlösserknackens zu werden. Dabei dachte ich an den alten Witz, in dem jemand nach dem Weg zur Carnegie Hall fragt und die Antwort bekommt: »Üben, üben, üben.« Und genau das tat ich fleißig. Manchmal ging ich zu den Lagerräumen der Mieter in der Garage unseres Wohnblocks, wo ich ein paar Vorhängeschlösser knackte, sie vertauschte und wieder zuschloss. Damals hielt ich das für einen amüsanten Streich, obwohl ich in der Rückschau sicher bin, dass es bei einigen Leuten Wutanfälle auslöste und ihnen ziemliche Probleme verursachte. Sie mussten ja auch ein neues Schloss bezahlen, wenn sie es schließlich schafften, das alte zu entfernen. Findet man wohl nur als Teenager witzig.
    Mit vierzehn war ich eines Tages mit meinem Onkel Mitchell unterwegs, der damals eine wichtige Rolle in meinem Leben spielte. Wir fuhren zur Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle, wo gerade wahnsinnig viel los war. Onkel Mitchell bat
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