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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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und es falle mir schwer stillzusitzen.
    Mutter hatte im Lauf der Jahre drei Ehemänner und einige feste Freunde. Einer davon schlug mich, ein anderer – ein Polizist – verging sich an mir. Anders als andere Mütter, über die man liest, sah meine Mutter nie einfach weg. Wenn sie herausfand, dass mich einer ihrer Männer schlecht behandelte oder auch nur unfreundlich zu mir war, warf sie den Typen sofort raus. Ich suche nicht nach Entschuldigungen. Aber ich frage mich, ob meine spätere Ablehnung von Autoritäten etwas mit meinen schlimmen Erfahrungen mit diesen Männern zu tun hat.
    Der Sommer war immer die beste Zeit im Jahr, besonders dann, wenn meine Mutter Teilschicht arbeitete und mitten am Tag freihatte. Ich fand es toll, wenn wir zum Schwimmen an den fantastischen Strand von Santa Monica gingen. Sie lag im Sand, sonnte und entspannte sich und sah mir zu. Ich planschte derweilen in den Wellen, ging unter und kam lachend wieder hoch. So konnte ich Schwimmen üben. Ich hatte es im Camp des YMCA gelernt, in das ich einige Sommer lang ging. Das Camp habe ich immer gehasst, außer wenn sie uns alle zum Strand mitnahmen.
    Ich war als Kind gut in Sport. Ich liebte es, in einer Kindermannschaft Baseball zu spielen, und ich hatte Spaß daran, meine Freizeit im Schlagkäfig zu verbringen. Die Leidenschaft jedoch, die mein Leben prägen sollte, entdeckte ich erst mit zehn. Ein Nachbar aus der Wohnung gegenüber hatte eine Tochter, etwa in meinem Alter, in die ich wohl ein bisschen verknallt war. Sie reagierte darauf, indem sie einmal tatsächlich nackt vor mir tanzte. In dem Alter war ich aber mehr inte­ressiert an dem, was ihr Vater in mein Leben brachte: Zauberei.
    Er war ein fähiger Zauberer, dessen Karten- und Münztricks sowie andere, größere Effekte mich faszinierten. Aber da war noch etwas anderes, etwas Wesentliches: Ich sah, wie sein Publikum, egal ob es aus einer Person, drei Personen oder einem Saal voller Leute bestand, Vergnügen daran fand, getäuscht zu werden. Obwohl es mir nie wirklich bewusst wurde, war es eine überwältigende Offenbarung, dass Leute dies ganz offensichtlich liebten. Diese Erkenntnis beeinflusste den weiteren Verlauf meines Lebens.
    Danach verbrachte ich meine Freizeit meistens in einem Laden für Zaubereibedarf, der mit dem Fahrrad gut zu erreichen war. Zaubern öffnete mir das Tor zur Kunst des Täuschens.
    Manchmal nahm ich lieber den Bus als das Fahrrad. Eines Tages fiel einem Busfahrer namens Bob Arkow der Aufdruck meines T-Shirts auf: »CBers Do It on the Air« [CB-Funker machen‘s auf Sendung]. Bob erzählte mir, er habe gerade ein tragbares Motorola-Funkgerät der Polizei gefunden. Ich dachte, er könne damit den Polizeifunk abhören, was sehr cool gewesen wäre. Ich fand jedoch schnell heraus, dass er mich damit auf den Arm genommen hatte. Aber Bobs Begeisterung für das Amateurfunken weckte mein Interesse. Er zeigte mir, wie man über Funk kostenlos telefonieren konnte, mit dem »Autopatch«, der von ein paar Funkern bereitgestellt wurde. Kostenlose Telefonanrufe! Das beeindruckte mich schwer. Ich war begeistert.
    Nach mehreren Wochen Abendschule hatte ich genug über Funktechnik und die Bestimmungen für den Amateurfunk gelernt, um die schriftliche Prüfung zu bestehen, und konnte den Morsecode gut genug, um auch diese Anforderung zu erfüllen. Bald darauf brachte mir der Postbote einen Briefumschlag von der Federal Communications Commission [US-Behörde für Kommunikation] mit meiner Funklizenz. Nicht viele Jugendliche meines Alters hatten so eine Lizenz. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich tatsächlich etwas erreicht.
    Ich fand es cool, Leute mit Zaubertricks zum Narren zu halten. Aber herauszufinden, wie eine Telefonanlage funktioniert, fand ich noch faszinierender. Ich wollte alles darüber wissen, wie eine Telefongesellschaft arbeitete und was hinter den Kulissen ablief. Ich hatte in der Grundschule und der Junior High immer sehr gute Noten bekommen. Aber ab der achten oder neunten Klasse begann ich, die Schule zu schwänzen und im Henry Radio rumzuhängen, einem Laden für Amateurfunker in West Los Angeles, wo ich stundenlang Bücher über Funktheorie las. Ich fand das besser als einen Besuch in Disneyland. Durch das Amateurfunken konnte ich mich auch für die Gemeinde nützlich machen. Eine Zeit lang kümmerte ich mich am Wochenende ehrenamtlich um die Kommunikationstechnik des lokalen Ortsvereins des Roten Kreuzes. Eine Woche lang im Sommer tat ich
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