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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch
Autoren: brooks
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und fest um mich band. Draußen im Garten gab es einen betretenen Moment, als Michael Mompellion einen Arm ausstreckte. Eigentlich wol l te er mir nur beim Aufsitzen helfen. Doch ich drehte ihm den Rücken zu und stieg ohne fremde Hilfe auf. Ein plumpes Hinaufklettern war mir lieber als die Berührung seiner Hand.
    Ich war schon halb die Straße hinunter und wollte gerade antraben, als mir klar wurde, dass ich es so nicht enden lassen konnte. Daraufhin drehte ich mich im Sattel um und sah ihn dort stehen. Seine grauen Augen waren unverwandt auf mich gerichtet. Ich hob die Hand zum Gruß. Er erwiderte ihn. Und dann war Anteros auch schon an der Kurve, die zur Straße nach Bakewell führt. Jetzt musste ich mich umdrehen und mich ganz dem Galopp hügelabwärts widmen.

 
    EPILOG

 
    Die Wellen, Ackerfurchen gleich
     
    Vor langer, langer Zeit zeigte mir Elinor Mompe l lion einmal ein Gedicht, in dem das Meer mit einer gr ü nen Weide verglichen wurde. Ich war davon hing e rissen, weil es eine Frau geschrieben hatte. Zur d a maligen Zeit hatte ich keine Ahnung, dass eine Frau so etwas machen könnte, nämlich Gedichte schre i ben. In meiner Begeisterung lernte ich es au s wendig und kann es immer noch rezitieren:
     
    … Dem kühlen Wiesengrunde gleicht die See,
    m it ihrem Grün, das salzge Tiefe zeugt.
    Wenn Schiffe langsam sachte ziehn des Wegs da r auf,
    d ann singt der Seemann, Hirten gleich,
    und spi e let auf …
     
    Damals hielt ich das für ganz besonders schlau. Ich hatte ja noch nie den Ozean gesehen. Jetzt aber, da ich meine Tage damit zubringe, aufs Meer hinausz u starren, ist mir nur allzu klar, dass Margaret Cave n dish keine Ahnung davon hatte.
    Ich habe hier mein eigenes Zimmer, wo ich studi e ren oder in Ruhe meiner Arbeit nachgehen kann, weit weg vom endlosen Geplapper und den lärme n den Kindern im Frauentrakt. Groß ist dieses Haus und sehr prächtig. Es ist in die Mauern der Zitadelle eingelassen, die hoch oben auf dem Berg liegt, der unmittelbar hinter dem weiten Bogen des Golfs au f steigt. Ich habe ein kreisrundes Zimmer mit einem vergitterten Fenster. Von hier aus schaut man auf den Garten hinaus, hinter dem sich die Dächer der Unte r stadt wie Bienenkörbe erstrecken, b is der Blick schließlich auf die endlose Weite des sonnengeflec k ten Wassers hinschweift. Von hier aus kann ich beim Entladen der Schiffe aus Venedig und Marseille und weit ferneren Häfen zusehen: Glas und Zinnwaren und Teppiche. Und wie sie für ihre Rückfahrt eine Fracht aus Goldstaub, Straußenfedern und Elfenbein einladen. Manchmal aber auch die traurigste aller Ladungen: reihenweise hoch gewachsene Afrikaner, in Ketten gelegt, zu Sklaven bestimmt. Mich dauert ihre Schreckensfahrt, und ich wünsche ihnen wenig s tens milde Winde.
    Was mich betrifft, so erwarte ich mir keine weit e ren Reisen mehr. Und wenn doch, dann wird es s i cher nicht auf dem Seeweg geschehen. Die Wellen, die mich von England forttrugen, glichen nicht jenen gleichmäßigen, furchenartigen Erhebungen, wie sie Margaret Cavendish in ihrem Gedicht beschrieb. Zerklüftete Felsen waren sie, aus einer Albtrau m landschaft. Einen Augenblick tiefe Schluchten, im nächsten wieder himmelhohe Klippen ohne Wurzeln in der Erde. Das wälzte sich herum und überschlug sich und stand niemals still. Tage und Nächte stürzte unser Schiff über ihre Kämme wie ein Kinderschli t ten im wilden Tanz über einen vereisten Hang. Wä h rend die Planken stöhnten und die Seeleute über ze r fetzte Segel und gesplisste Taue fluchten, atmete ich den Gestank von Teer und Erbrochenem und erwa r tete jeden Augenblick meinen Tod. Offen gestanden war ich so oft krank, dass ich ihn herbeisehnte. Nur der Gedanke an das Kind und meine Entschlosse n heit, es am Leben zu halten, gaben mir den Willen zum Weitermachen.
    Aber ich möchte mich nicht länger mit den großen Schwierigkeiten aufhalten, die wir auf unserem Weg hierher überwinden mussten. Nur eines möchte ich noch kurz sagen: Anteros trug mich mühelos nach Bakewell, wo ich für das Neugeborene eine Amme einstellte, ehe wir mit Mister Pulfer und seiner L a dung Blei aufbrachen. Als wir aber an jene Abzwe i gung kamen, die uns zur Heimat der kleinen Elinor gebracht hätte, zog ich Michael Mompellions Em p fehlungsschreiben hervor, zerriss es in dutzende kleine Fetzen und schaute zu, wie sie der Wind ve r wehte. Mister Pulfer erklärte ich, ich wolle ihn nicht damit belasten, uns dorthin zu begleiten, sondern stattdessen
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