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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
Autoren: Kai Hensel
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seiner Hand. Warum erschoss er sie nicht?
    Er stützte sich auf seinen Arm. Sein Mund öffnete sich, er suchte nach Worten. »Ihre Reue, Frau Brecht …«
    Sein Arm gab nach, er fiel auf den Rücken. Er schüttelte den Kopf, wie über einen harmlosen Streich, und kratzte sich am Hals.
    Maria richtete sich auf. Sie versuchte aufzustehen, sofort wurde alles um sie herum schwarz. Sie konnte nicht schlucken. Sie schaffte es, sich auf die Bank zu setzen.
    Einatmen, ausatmen …
    Ihre Hände suchten im Werkzeugkasten. Sie suchte etwas, um sich die Fesseln aufzuschneiden. Sie fühlte eine Schere. Aber sie schaffte es nicht, in ihre Fesseln zu schneiden.
    »Ihre Reue, Frau Brecht …«
    Sie hockte sich vor den Tankverschluss. Drehte die Kappe auf und rieb ihre Fesseln am Einfüllstutzen. Der Mann schüttelte den Kopf. Er schien Maria nicht zu erkennen. Sie rieb schneller.
    »Zu spät!«
    Er blinzelte nicht mehr. Er war tot. Ihre Fesseln rissen. Sie wickelte sich das Ankertau vom Hals. Noch immer konnte sie nicht schlucken. Das Atmen tat weh. Sie stand auf. Sie suchte am Horizont nach Land, Lichtern. Alles war schwarz. Sie probierte den Schalter des Elektromotors. Sie hörte schwaches Surren, sah das Drehen der Schraube … Der Motor erstarb, bevor sie herausgefunden hatte, wie man den Schaft ins Wasser senkte.
    Zu ihren Füßen lag seine Leiche. Sie roch seinen Schweiß in ihren Haaren. Sie sah an ihrem Körper herunter: Er war voller Blutflecken.
    Sie sprang ins Wasser.
    Sie drehte sich auf den Rücken, rieb ihre Hände am Stoff. Sie tauchte, um den Blut- und Schweißgeruch abzuwaschen. Sie kraulte. Solange sie das Boot nicht aus dem Blick verlor, war sie sicher. Sie kraulte weiter. Sie sah ein Licht, schwach und flackernd. Sie schwamm auf das Licht zu. Es schien gar nicht weit entfernt. Das Wasser brannte an ihren Halswunden. Die Wellen waren höher, als sie vom Boot aus ausgesehen hatten. Sie schloss die Augen und kraulte. Kam sie überhaupt voran? Sie öffnete die Augen. Sie sah das Licht, aber es war nicht näher gekommen. Es schien sogar weiter entfernt. Sie schaute sich um. Sie sah das Boot nicht mehr. Sie zog ihre Espadrilles aus, ließ sie in die Tiefe sinken. So kam sie schneller voran. Wirklich? Die Augen schließen. Weiterschwimmen. Sie war eine gute Schwimmerin, sie hatte mit der Schulstaffel den zweiten Platz gemacht. Sie schwamm schneller, schluckte Wasser …
    Das Licht kam nicht näher. Sie trieb ab. Ihre Kraft reichte nicht. Sie musste sich zusammenreißen! Sie sah das Boot nicht. Ihr Hals schmerzte. Wo war das Licht?!
    Sie trieb in den Wellen. Das Wasser war kalt. Ihr Körper kühlte aus. Sie musste Energie sparen.
    Sie ließ Arme und Beine sinken.
    Ihr rechter Fuß zuckte zurück.
    Der Zeh war auf etwas Hartes gestoßen.
    Sie schwamm, ließ das Bein sinken. Da war nichts mehr.
    Aber sie sah wieder das Licht flackern. Sie kraulte, ließ die Beine sinken. Sie spürte Sand. Wellen hoben und senkten sie. Jetzt spürte sie Sand und einen Stein. Nicht bloß an den Zehen, am ganzen Fuß.
    Sie konnte stehen.
    Jetzt konnte sie sogar gehen, in winzigen Schritten, dann in größeren. Sie sah das Land erst, als sie nur noch bis zum Bauchnabel im Wasser stand. Schwarze Masse, kein Strauch, kein Baum. Rechts von ihr, in einiger Entfernung, das Licht.
    Sie trat aus dem Wasser, an einen schmalen Strand. Sie setzte sich in den Schutz eines Felsens, zog ihre nassen Kleider aus, zog ihre Knie an.
    Eine Möwe kreischte.

16. August
    »Ich erhoffe nichts.
    Ich fürchte nichts.
    Ich bin frei.«
    Níkos Kazantzákis, griechischer Schriftsteller

47
    Sie hörte Lachen.
    Sie schlug die Augen auf, kniff sie wieder zusammen. Die Sonne blendete sie, die Lichtreflexe auf dem Meer. Sie hörte Männer und Frauen, Gesprächsfetzen auf Deutsch, Englisch, sie fühlte leichten Wind auf der Haut. Sie öffnete die Augen erneut. Sie sah Köpfe in den leichten Wellen, ein roter Ball flog hin und her.
    Sie war nackt. Sie saß an einem schmalen, steinigen Strand. Zwischen den Felsen wuchsen Gräser und Gestrüpp. Ihre Kleidung lag neben ihr auf den Steinen. Sie war fast trocken, aber fleckig von Salz und Tang. Sie versuchte aufzustehen. Ihre Beine gaben nach, sie hielt sich am Felsen fest. Sie schaffte es, sich anzuziehen. Muskeln und Gelenke schmerzten bei jeder Bewegung. Sie suchte nach ihren Schuhen. Sie erinnerte sich, dass sie sie im Meer ausgezogen hatte.
    Sie setzte sich wieder in den Schutz des Felsens. Da vorn stritten sie sich um den
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