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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes
Autoren: John Maddox Roberts
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festgehalten, ganz selten auch große Ausgaben wie den Kauf von Sklaven, vermutlich weil sie einen Teil der Kosten übernommen hatten. Einzelheiten darüber, wie die Priester und die Priesterin zu Tode gekommen sind, finden sich erst in den Unterlagen, die Manius Pedarius geführt hat, und zwar erst seit den letzten zehn Jahren. Was meinst du, Iola, mag wohl der Grund dafür sein?“ Ich nahm zuerst Iola, dann Porcia und dann wieder Iola ins Visier. Die Menschenmenge war mucksmäuschenstill. Jetzt hatte ich sie.
    „Ich werde dir sagen, was ich glaube. Ich glaube, dass Manius Pedarius ein sehr stolzer, aber auch sehr armer Mann war. Einst gehörten die Pedarii zu den großen patrizischen Familien Roms. Dann brachen harte Zeiten über sie herein, so wie über einige andere Familien auch, und zwar ohne eigenes Verschulden. Es war einfach nur Pech oder die böse Laune eines Gottes.“ Bei diesen Worten machte ich eine Geste zur Abwehr unwillkommener Aufmerksamkeit der Unsterblichen. Alle Anwesenden wiederholten meine Geste, ergänzt um einige ortsübliche Varianten.
    „Anstatt weiter als arme Leute unter den großen, berühmten Familien Roms zu darben, siedelten sie um ins südliche Campania, wo sie es zu bescheidenem Wohlstand brachten und durch das Patronat über diesen einzigartigen Doppeltempel an den Verpflichtungen einer patrizischen Familie festhielten. Doch auch wenn es sich keineswegs um einen der größeren Tempel Italias handelt, strapazierte selbst der moderate Geldbedarf die finanziellen Verhältnisse der Pedarii über alle Maßen.
    Vor einigen Jahren traten die Apollopriester an Manius Pedarius heran. Der Tempel musste renoviert werden, und sie fragten ihn, ob er die Kosten für die erforderlichen Bauarbeiten übernehmen könne. Er konnte es nicht, aber er war zu stolz, das zuzugeben. Sein Patron und mein Freund, der große Pompeius“, bei diesen Worten deutete ich auf den prachtvoll ausstaffierten Mann zu meiner Seite, „bot in seiner grenzenlosen Großzügigkeit an, die gesamten Kosten zu übernehmen. Er wollte dafür nicht einmal seinen Namen in den Giebel einmeißeln lassen, wie es üblich ist, wenn man für ein derartiges Projekt aufkommt.“ Die Zuschauer spendeten für diese Selbstlosigkeit Beifall, den Pompeius mit einer leichten Neigung des Kopfes quittierte.
    „Doch Manius Pedarius war zu stolz, mehr als einen angemessenen Beitrag zu der erforderlichen Summe anzunehmen. Offenbar wusste der Hohepriester des Heiligtums der Hekate von der beabsichtigten Restaurierung, ebenso wie er wusste, dass sie Pedarius' finanzielle Möglichkeiten überforderte. Wahrscheinlich war es Agathon, Aber da bin ich nicht ganz sicher, der anbot, die Kosten zu übernehmen, allerdings unter einer Bedingung: Pedarius sollte dem Heiligtum nie wieder einen Besuch abstatten. Natürlich begegnete Pedarius diesem Vorschlag mit Argwohn, andererseits war er zur Rettung seiner Ehre dringend auf das Geld angewiesen. Also blieb er dem Heiligtum fern, doch er ließ es sich nicht nehmen, gewisse Vorkommnisse im Auge zu behalten, zum Beispiel die Einsetzung neuer Priester oder wie sie aus dem Amt schieden, vor allem Letzteres. Er musste unweigerlich zu dem Schluss gelangen, dass das Heiligtum seinen Reichtum auf nicht gerade heilige Weise angehäuft hatte.“
    „Praetor“, empörte sich Iola, „das ist doch pure Spekulation!„
    „Dann nenn mich eben einen Philosophen“, entgegnete ich. „Meine philosophische Schule baut darauf, Fakten zusammenzutragen, selbst die unscheinbarsten, die absolut irrelevant erscheinen, und zu einem Bild zusammenzufügen, das erkennen lässt, was wirklich geschehen ist. Diese Fakten und Bilder wiederum dienen mir für die Erstellung eines Modells - oder, um das griechische Wort zu benutzen, eines Paradigmas -, das zeigt, wie sich die ganze Geschichte mit größter Wahrscheinlichkeit zugetragen hat.“ Ich sah, dass keiner meiner Zuhörer auch nur den blassesten Schimmer hatte, wovon ich sprach. Vielleicht hätte ich mich nicht auf ein Gebiet vorwagen sollen, das so schwer zu vermitteln war.
    „Was meinst du eigentlich, wie weit du mit dieser Sophisterei vor einem römischen Gericht kommen wirst?“, zischte Pompeius mir zu, so dass alle Leute auf dem Podium es hören konnten. Sogar Cato konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.
    „Wir sehen also“, kehrte ich schnell zum Thema zurück, „dass die kriminellen Machenschaften im Heiligtum der Hekate schon seit etlichen Jahren an der Tagesordnung
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