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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
Autoren: Arthur Conan Doyle
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tun?«
      Holmes gab mir eine Visitenkarte, auf der gedruckt stand: Dr. Hill Barton, Half Moon Street
    369.
      »So heißen Sie für heute abend, Watson. Sie werden sich bei Baron Gruner melden lassen. Ich weiß einigermaßen über seine Gewohnheiten Bescheid. Um halb neun dürfte er keine Verpflichtungen haben. Ein Briefchen wird ihm Ihr Kommen vorher angekündigt haben und daß Sie ihm ein Muster eines absolut einmaligen Satzes MingPorzellan bringen möchten. Sie können auch ruhig als der Mediziner auftreten, der Sie sind, denn diese Rolle können Sie spielen, ohne doppelzüngig zu werden. Sie sind ein Sammler, Ihnen ist dieser Satz in die Hände gefallen, Sie haben von dem Interesse des Barons auf dem Gebiet gehört, und Sie sind nicht abgeneigt, den Satz zu einem gehörigen Preis zu verkaufen.«
      »Zu welchem Preis?«
      »Gut gefragt, Watson. Sie würden mit Gewißheit einen Reinfall erleben, wenn Sie den Wert der Ware, die Sie anbieten, nicht kennten. Diese Untertasse hat mir Sir James zur Verfügung gestellt. Sie stammt, soviel ich weiß, aus der Sammlung seines Klienten. Sie werden nicht übertreiben, wenn Sie sagen, daß das Stück auf der Welt kaum seinesgleichen haben dürfte.«
      »Ich könnte vielleicht vorschlagen, daß der ganze Satz von einem Experten geschätzt wird.«
      »Hervorragend, Watson! Sie sprühen heute vor Einfällen. Schlagen Sie Christie’s oder Sotheby’s vor. Ihre Feinfühligkeit verbiete es Ihnen, selber einen Preis festzusetzen.«
      »Aber wenn er mich nicht empfängt?«
      »Er wird Sie empfangen. Er ist von der Sammelwut akutester Form befallen – besonders auf diesem Gebiet, da er als eine anerkannte Autorität gilt. Setzen Sie sich, Watson, ich werde Ihnen den Brief diktieren. Antwort brauchen wir nicht. Sie werden nur schreiben, daß Sie kommen und warum Sie kommen.«
      Es wurde ein bewundernswürdiges Dokument, höflich und die Neugier eines Kenners erweckend. Ein Bote machte sich sofort mit ihm auf den Weg. Am selben Abend noch brach ich auf zu meinem Abenteuer, in der Hand die wertvolle Untertasse, in der Tasche die Visitenkarte auf den Namen eines Dr. Hill Barton.

    Das herrliche Haus und das Grundstück wiesen darauf hin, daß Baron Gruner, wie Sir James gesagt hatte, ein Mann von beachtlichem Reichtum war. Eine lange gewundene Auffahrt mit seltenen Büschen zu beiden Seiten öffnete sich zu einem weiten, kiesbedeckten, mit Statuen geschmückten Platz. Das Anwesen war von einem südafrikanischen Goldkönig in den Tagen des großen Booms erbaut worden, und das langgestreckte niedrige Haus mit seinen Türmchen an den Ecken impo nierte durch Größe und Gediegenheit, wenn es auch einen architektonischen Alptraum darstellte. Ein Butler, der einer Bischofsversammlung zur Zierde gereicht hätte, ließ mich ein und übergab mich an einen samtgekleideten Diener, der mich zu dem Baron führte.
      Er stand vor einem offenen großen Glasschrank zwischen zwei Fenstern, der einen Teil seiner chinesischen Sammlung enthielt. Als ich eintrat, wandte er sich mir zu, eine kleine braune Vase in der Hand.
      »Setzen Sie sich bitte, Doktor«, sagte er. »Ich bin gerade dabei, meine Schätze zu mustern, und frage mich, ob ich es mir leisten kann, ihnen noch etwas hinzuzufügen. Dieses kleine Exemplar aus der Tang-Zeit, aus dem siebenten Jahrhundert, wird Sie sicherlich interessieren. Ich bin sicher, Sie haben nie schönere Handwerkskunst und eine herrlichere Glasur gesehen. Haben Sie die MingUntertasse, von der Sie schrieben, dabei?«
      Ich packte sie vorsichtig aus und gab sie ihm. Er setzte sich an den Schreibtisch, zog die Lampe heran, da es schon zu dunkeln begann, und untersuchte sie. Das gelbliche Licht fiel voll auf seine Züge, und ich konnte sie in aller Ruhe studieren.
      Er war zweifellos ein bemerkenswert gut aussehender Mann. Den Ruf, er sei schön, der ihm vom Kontinent voraufgegangen war, fand ich vollauf bestätigt. Die Gestalt war nicht mehr als mittelgroß, aber ihre Linien spielten graziös und lebhaft. Das Gesicht war bräunlich, fast orientalisch; er hatte große, dunkle, matte Augen, die auf Frauen wohl faszinierend wirken mochten. Das Haar und der kurze, an den Enden hochgezwirbelte und sorgfältig gewachste Schnurrbart waren pechschwarz. Seine Züge waren gleichmäßig gebildet und angenehm anzuschauen, nur der gerade, dünnlippige Mund störte. Wenn ich je einen Mördermund gesehen habe, dann jetzt – ein grausamer, scharfer Riß im
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