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Das neue Philosophenportal

Das neue Philosophenportal

Titel: Das neue Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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Titelvorschlag zwei Vorteile: Er
     erinnerte nicht zufällig an Goethes autobiografische Schrift
Dichtung und Wahrheit
, und er fasste den Anspruch des Werks auf eine verständliche und plakative Weise zusammen: Es ging um eine im Verstehensprozess
     sichtbar werdende Wahrheit, die einer naturwissenschaftlich orientierten Methode nicht zugänglich war.
    Dieses Verstehen ist für Gadamer ein grundlegender, dem Menschen von Anfang an zugehöriger Akt, der bereits vor jedem Versuch
     der wissenschaftlichen Weltdeutung liegt. Wie Heidegger verbindet Gadamer mit seiner Hermeneutik also einen universalen, über
     das Ziel der Textinterpretation hinausgehenden Anspruch. Sie sollte eine neue Art von Ontologie und Erkenntnistheorie begründen,
     also grundsätzliche Aussagen über die Welt und die Wirklichkeit machen. Im Unterschied zu Heidegger legte Gadamer jedoch den
     Schwerpunkt seiner Analysen nicht auf den Lebensentwurf, sondern auf die durch Sprache vermittelte »Welterfahrung« des Menschen.
     An die Stelle eines anthropologischen ist ein erkenntnistheoretischer Schwerpunkt getreten. Die neukantianische Frage nach
     den »reinen« Grundbegriffen, die unsere Welterfahrung verbürgen, wird bei Gadamer ersetzt durch die hermeneutische Frage nach
     dem »Verstehen«, d.   h. nach der Grundbeziehung, in der der Mensch gegenüber einer sprachlich geprägten Welt steht.
    Die drei großen Teile des Buches versuchen, den Begriff des »Verstehens« stufenweise auf eine zunehmend grundsätzlichere Art
     zu erläutern. Gadamer beginnt mit dem Verstehen von Kunst als einer Alternative zum rationalen, wissenschaftlichen Erklären.
     Die Elemente des hier gewonnenen Verstehensbegriffs werden im zweiten Teil auf die Geisteswissenschaften insgesamt ausgedehnt,
     um im dritten Teil Gadamers »ontologische Wendung der Hermeneutik«zu vollziehen, also das Verstehen zur grundlegenden menschlichen Welterfahrung schlechthin zu machen.
    Mit den ersten beiden Teilen vollzieht Gadamer die Geschichte der Hermeneutik nach, die sich von einer Lehre der Textinterpretation
     zu einer Methodenlehre der Geisteswissenschaften entwickelt hatte. Im dritten Teil fügt er ihr sein eigenes, neues Verständnis
     hinzu: Hermeneutik als Lehre von der Welterkenntnis.
    Gadamer geht es von Anfang an darum, sowohl das Erkenntnisideal der rationalen, begrifflichen Erfassung der Welt als auch
     das Erkenntnisideal der Naturwissenschaften als eine reduzierte Form der Erkenntnis dazustellen und ihr eine Alternative entgegenzusetzen.
     Den Glauben an eine sogenannte »objektive« Erkenntnis, die dadurch zustande kommt, dass der Mensch der Welt – unter Ausschaltung
     aller subjektiven Faktoren – mit dem richtigen Werkzeug, sprich: der richtigen wissenschaftlichen Methode, zu Leibe rückt
     und mit Hilfe dieses Instruments die objektive Wahrheit hervorholt, hält er für naiv. Für ihn gibt es keine rein objektive
     Erkenntnis, aus der sich das erkennende Subjekt heraushalten könnte.
    Deshalb will er alternative Formen der Erkenntnis wieder aufwerten, in denen eine andere Art der Beziehung zwischen Erkenntnissubjekt
     und Erkenntnisobjekt stattfindet. Der geschichtliche Anknüpfungspunkt hierfür ist für ihn die Tradition des Humanismus seit
     der Renaissance. Hier entwickelte sich ein Ideal der Bildung, in dem eine sinnlich-intuitive Urteilsfähigkeit, eine Urteilsfähigkeit
     mehr des »Herzens« als des »Verstandes« im Mittelpunkt stand. Es kann sich dabei um eine praktische Urteilsfähigkeit wie den
     »sensus communis«, den »Gemeinsinn«, handeln, der eine soziale Tugend bezeichnet, die den Menschen instand setzt, konkrete
     gesellschaftliche Situationen richtig zu deuten und sich entsprechend zu verhalten. Es kann sich aber auch um die Fähigkeit
     der ästhetischen Wahrnehmung handeln, durch die wir Zugang zu einem Kunstwerk finden. In beiden Fällen geht es um eine Form
     des »Takts«, die nicht durch Theorie, sondern durch praktischen Umgang und Persönlichkeitserziehung erworben wird. Im deutschen
     Begriff »Geschmack« ist beides, der soziale und der ästhetische Aspekt dieser Urteilsfähigkeit, enthalten.
    Für Gadamer ist vor allem der Umgang mit der Kunst der Ort, an dem dieser »Geschmack« sich ausprägt. Dabei wendet er sich
     gegen eine in der Kunstphilosophie sichtbare Tendenz, die ästhetische Erkenntnis zu einer eigenen, »autonomen« Erkenntnisform
     zu machen und sie von anderen Erkenntnisformen abzukoppeln. Ästhetische Erkenntnis
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