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Das Nest

Titel: Das Nest
Autoren: Val McDermid
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herumzuhantieren. Nach einigen nervenzerfetzenden Augenblicken hatte sie den richtigen Schalter für die Scheinwerfer gefunden und blendete voll auf. Zwei der Räder schlingerten und fuhren links und rechts am Wagen vorbei. Das dritte rutschte hilflos in den Schlamm und schlitterte in ein seitlich gelegenes Sumpfloch. Der Fahrer kroch mühsam und schimpfend heraus und schleppte sich zu seinem Feuerstuhl. Dort zog er aus einer am Fahrzeug befestigten Box einen großen Plastiksack und schleuderte ihn in Richtung des Campingbusses. Instinktiv warfen sich die Frauen zu Boden, als der Sack mit einem dumpfen Laut gegen die Windschutzscheibe prallte. Lindsay sah auf und hätte sich beinahe übergeben. Die Welt war rot geworden.
    An der Windschutzscheibe klebte überall geronnenes Blut und Klumpen nicht identifizierbarer Substanz rutschten auf die Motorhaube. Janes Kopf tauchte neben dem ihren auf. »Oh nein, nicht schon wieder die Tour mit dem Schweineblut«, stöhnte sie. »Ich hatte gehofft, der Trick wäre ihnen mittlerweile zu blöd geworden.«
    Während sie sprach, heulten die Motoren noch einmal auf, bevor der Lärm auf ein leises Dröhnen abebbte, als die Fahrer das Camp verließen und zur Straße zurückkehrten.
    »Wir müssen die Polizei holen!« rief Lindsay.
    »Das wäre nur Zeitverschwendung, Lindsay. Die interessieren sich nicht dafür. Als sie zum ersten Mal Blut über unsere Zelte schütteten, ist es uns tatsächlich gelungen, die Polizei herzulocken. Aber sie haben behauptet, wir wären es selber gewesen, um Schlagzeilen zu machen. Sie sagten, es gäbe keine Beweise für unsere Anschuldigungen. Reifenspuren im Schlamm zählen nicht, weißt du. Genauso wenig wie die Aussagen von vierzig Frauen. Die Verbrechen, die man gegen uns begeht, zählen auch nicht, denn in ihren Augen sind wir nichts als ein Stück Dreck, verstehst du?«
    »Das ist ungeheuerlich«, protestierte Lindsay.
    »Aber unvermeidlich«, erwiderte Jane. »Was hier vorgeht, ist so radikal, daß sie es sich auf keinen Fall leisten können, die Sache ernst zu nehmen. Wenn sie anfingen, uns irgendwelche Rechte zuzugestehen, bliebe ihnen letztlich nichts anderes übrig, als die alptraumhaften Zustände, die für unsere Anwesenheit hier verantwortlich sind, als solche anzuerkennen. Dann wäre es nur mehr ein kleiner Schritt zuzugeben, daß wir mit unseren Ansichten über Abrüstung einen logischen Standpunkt vertreten. Da ist es natürlich viel einfacher, uns mit totaler Verachtung zu strafen.«
    »Das ist einfach unerträglich«, erklärte Lindsay.
    »Ich seh’ lieber nach, ob jemand verletzt ist«, meinte Jane. »Bei dem ersten Brandbombenangriff auf die Zelte wurde eine Frau ziemlich schwer verletzt.«
    »Wenn du kurz wartest, schau’ ich, ob Cara in Ordnung ist und komm’ mit«, erklärte Lindsay, stand auf und kletterte die Leiter zu Caras Schlafplatz hinauf. Erstaunlicherweise schlief die Kleine immer noch tief und fest.
    »Ich schätze, sie hat sich mittlerweile daran gewöhnt«, bemerkte Jane und ging voraus.
    Ihnen bot sich ein trostloser Anblick. Ein halbes Dutzend Plastikzelte lag als wirrer Haufen im Scheinwerferlicht der Autos. Noch immer krochen Frauen darunter hervor. Jane lief in Richtung Erste-Hilfe-Station, während sich Lindsay durch Wind und Regen kämpfte, um zwei Frauen zu helfen, die gerade dabei waren, ihre Plane zu retten, die ihnen zuvor Schutz geboten hatte. Zu dritt versuchten sie in dem Unwetter, das Zelt provisorisch zu erneuern. Aber die Schlafsäcke waren völlig durchweicht. Die Frauen mußten sich also auch noch trockene Decken für die Nacht organisieren.
    Lindsay blickte sich um. Langsam begann das Camp wieder, normal auszusehen. Da und dort wurde noch immer heftig repariert. Sie schlug sich zu Janes zum Glück unbeschädigter Behausung durch. Die Ärztin war gerade dabei, den Arm einer Frau zu bandagieren, die während des Überfalls durch einen herabstürzenden Ast verletzt worden war.
    »Hallo, Lindsay«, sagte Jane, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. »Keine allzu großen Schäden, Gott sei Dank. Ein paar blaue Flecken, einige Schnittwunden, aber nichts Dramatisches.«
    »Kann ich irgendwas helfen?«
    Jane schüttelte den Kopf. »Danke, hier ist alles unter Kontrolle.«
    Mit einem leichten Schuldgefühl kehrte Lindsay zum Bus zurück, um Cara nicht zu lange allein zu lassen. Sie schlug ihr Nachtlager auf, wo laut Jane normalerweise Deborah schlief.
    Aber Lindsay konnte nicht abschalten. Als sie schließlich
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