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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
Autoren: Heiko Rolfs
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Zähnchen, die strahlend weiß in dem schmutzigen Gesicht aufblitzten.
„Wenn ich groß bin, werde ich auch ein Ritter“, sagte das Kind mit dem Brustton
der Überzeugung.
    Also ein Junge, dachte Sven. „Wie heißt du?“, fragte er den
Kleinen.
    „Wibald, aber meine Freunde nennen mich Wibbi.“
    „Ich heiße Sven. Darf ich dich Wibbi nennen?“
    „Willst du denn mein Freund sein?“, fragte der Kleine ernst
und runzelte die Stirn.
    „Warum nicht?“ Sven war gerührt von der Zutraulichkeit des
Kindes.
    Der kleine Junge strahlte über das ganze Gesicht. „Erzählst
du mir eine Geschichte?“, bettelte er plötzlich.
    „Äh“, Sven fühlte sich überrumpelt. Aber er wollte Wibbi nicht
enttäuschen. Fieberhaft überlegte er, während der Kleine geschickt seinen Schoß
erklomm, wo er es sich bequem machte, als wäre das völlig selbstverständlich.
Erwartungsvoll sah das Kind ihn an.
    Seine Augen wurden vor Staunen ganz groß, als Sven ihm
Geschichten von Feen und Gnomen aus seiner nordischen Heimat erzählte. Er
erinnerte sich genau an die alten Sagen. Dabei störte es den Kleinen nicht im
Mindesten, dass der Ritter nicht sehr redegewandt war und sich manchmal
verhedderte. Auch sein Sprachfehler schien dem Kind gar nicht aufzufallen.
    Der Normanne fühlte einen Stich im Herzen. Schmerzliche
Erinnerungen stürzten auf ihn ein und versetzten ihn in eine Zeit zurück, die
er vergeblich zu vergessen versucht hatte. Man sagt, die Zeit heile alle
Wunden, aber das ist nicht wahr, sie kann sie nur lindern und irgendwann werden
sie erträglich. Aber dann gab es wieder Momente, in denen alles wieder hoch
kam, als wäre es erst gestern gewesen. 
    Vor vielen Jahren hatte so seine kleine Tochter auf seinem
Schoß gesessen. Sie war ebenfalls blond gewesen, wie dieser kleine Junge.
Selbst die kleine Stupsnase erinnerte ihn an sie. Aber ihr Haar war heller und
länger gewesen. Liebevoll strich er dem Kind mit seiner großen, schwieligen
Hand über das zerzauste Haar.
    „Bist du traurig?“, fragte der Kleine, der die Mimik seines
neuen Freundes genau beobachtet hatte.
    „Nein“, antwortete Sven. „Ich habe nur gerade an meine
kleine Tochter gedacht, sie war damals genauso alt wie du heute.“
    „Wo ist sie?“, wollte Wibald wissen. Als er in Svens Gesicht
sah, fragte er leise: „Ist sie im Himmel?“
    „Ja“.
    „Mein Vater ist auch im Himmel. Mama sagt, dass er von dort
auf uns herabblickt.“ Dann zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß gar nicht
mehr, wie er aussieht.“
    „Das ist auch nicht so wichtig, Wibbi.“ Sven atmete tief
ein. „Ents-heidend ist, dass du ihn nicht vergisst und sein Andenken in deinem
Herzen bewahrst. Das Leben geht weiter, auch wenn wir Mens-hen verlieren, die
wir lieben. Aber immer wenn wir an sie denken, sehen sie auf uns herab und
freuen sich, wenn es uns gut geht. Ich bin sicher, dass dein Vater stolz auf
dich ist.“ 
    Der Junge nickte ernst und lächelte ihn dankbar an. Dann
streckte er ganz vorsichtig einen Finger aus und berührte sanft die Narbe auf
der Wange des Normannen. „Tut das weh?“
    „Nein.“
    Das Kind zeichnete langsam und konzentriert die Linie der
Narbe nach, als ein erschreckter Ausruf ihre Zweisamkeit störte.
    Über den Hof kam eine junge Frau auf den Bergfried zu, die
laut den Namen des Jungen rief. Wibald zögerte, seinen Platz auf dem Schoß
seines großen Freundes zu verlassen.
    „Entschuldigt bitte“, stammelte die Magd, „ich hoffe, der
Junge hat Euch nicht allzu sehr belästigt, Herr.“
    Dabei knickste sie vor Sven. Sie war nicht unattraktiv,
obwohl sie nur einen einfachen Arbeitskittel trug, der ihre weiblichen Formen
allerdings nicht verbergen konnte.
    „Aber nicht doch“, wehrte Sven begütigend ab, „ganz im
Gegenteil, wir haben uns prächtig unterhalten.“
    Dafür erntete er einen dankbaren Blick des Kleinen, der nun
doch langsam von seinem Schoß rutschte und zu seiner Mutter trippelte.
    Die junge Frau bedankte sich bei Sven für seine Geduld. Er
betrachtete sie genauer. Sie war wirklich hübsch mit ihrem herzförmigen
Gesicht, dass von kastanienbraunen Locken umspielt wurde.
    Züchtig senkte sie die Lider, aber dann schlug sie die Augen
auf und sah ihn direkt an. Einige Augenblicke versenkten sich ihre Blicke
ineinander, bevor sie sich abrupt abwandte.
    „Wie du wieder aussiehst“, schimpfte die junge Frau
halbherzig mit ihrem Sohn. „Jetzt stecke ich dich erst einmal in den Zuber. Was
soll denn der Ritter von dir denken, wenn
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