Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott
Autoren: Wolfgang Schorlau
Vom Netzwerk:
Arbeitsgerichte in Berlin bestätigt.
    Der 29-jährige Mehmet Güler, der bei der Mannheimer Gesellschaft für Abfallentsorgung arbeitete, kassierte eine fristlose Kündigung, weil der zweifache Vater ein Kinderbettchen aus dem Container zog, das für die Schrottpresse bestimmt war.
    Ein Empfänger von Hartz IV, jener staatlich verordneten Armut, wollte sein Einkommen von 351 Euro im Monat aufbessern und setzte sich hinter Pappschild und Blechdose bettelnd in die Göttinger Innenstadt. Er hatte nicht mit jenem Sachbearbeiter des Sozialamtes der Stadt Göttingen gerechnet, bei dessen Behörde der bettelnde Mann als »Kunde« gemeldet war und der in der Mittagspause an ihm vorbeilief. Der Beamte sah genau hin und verschickte einige Tage später einen Brief an den bettelnden Mann: »In den letzten Tagen habe ich Sie mehrfach gesehen, wie Sie vor dem Rewe-Supermarkt … gebettelt haben. Zuletzt lagen am 3. 1. 2009 in der Mittagszeit circa sechs Euro und heute gegen 13 Uhr etwa 1,40 Euro in einer Blechdose.« Der pflichtgetreue Staatsdiener rechnete die Beträge hoch und kündigte an: »Ich beabsichtige daher, … einen Betrag von 120 Euro als Einkommen durch Betteln anzurechnen.« Künftig werde er nur noch 231 Euro Unterstützung aus Hartz IV monatlich erhalten.
    Öffentlich wurden nur jene Schikanen, die bis zum Bundesarbeitsgericht drangen.
    Im Sommer 2009 sah es so aus, als wollte die herrschende Klasse testen, wie weit sie es treiben könne, als sollte in einem riesigen gesellschaftlichen Experiment untersucht werden, wie viel Ungerechtigkeit die Gesellschaft ertragen könne. So als sollte in einem riesigen Laboratorium erforschtwerden, was geschehen müsse, damit die Menschen auf die Barrikaden gingen.
    Aber es gab keine Barrikaden.
    Noch nicht.

    Er hatte noch nicht zugesagt, aber er hatte sich entschieden. Es waren zwei einfache Gründe und ein tieferer komplizierter Grund, die Georg Dengler dazu bewogen, den Fall anzunehmen. Er erklärte sie seinen Freunden abends, als sie gemeinsam im Basta saßen, ihrem Stammlokal: Erstens würde er gut bezahlt werden, und zweitens würde sich die Arbeit auf das Studium der Akten beschränken. Vielleicht komme eine Zeugenbefragung oder zwei dazu. Mehr aber wohl nicht. Die Tat lag dreißig Jahre zurück. Viele Zeugen lebten nicht mehr, andere erinnerten sich kaum noch. Die meisten der ermittelnden Polizisten würden nun den Ruhestand genießen oder ebenfalls bereits gestorben sein. Dreißig Jahre ist eine lange Zeit, sagte Dengler.
    Über den tieferen Grund, diesen Auftrag anzunehmen, gab Georg Dengler weder sich selbst noch seinen Freunden aufrichtig Rechenschaft. Er spürte nur eine tiefe dunkle Stimmung in seinem Gemüt, die er sich nicht erklären konnte. Ob sie damit zusammenhing, dass das Bundeskriminalamt bei diesem Fall sein Auftraggeber sein würde? Mehr als fünfzehn Jahre war Dengler Zielfahnder beim BKA gewesen, bevor er den Dienst quittiert und sich als Privatermittler in Stuttgart selbstständig gemacht hatte. Seine Kündigung hatte damals etwas von Notwehr an sich. Die Vorgaben für die Ermittler waren immer einseitiger geworden. Manche Ermittlungsstränge durfte er nicht weiter verfolgen, obwohl es wichtige Spuren waren. Er sah sich damals vor die Alternative gestellt: entweder aufrichtig zu bleiben und zu gehen oder sich zu beugen und genauso ein hemmungsloserKriecher zu werden wie viele seiner Kollegen. Er wollte sich nicht brechen lassen und ging.
    Er hatte diesen Entschluss nie bereut. Und doch …
    Das BKA war für ihn in seinen jungen Jahren eine Art Heimat gewesen. Der Behörde warf er daher nichts vor. Dem damaligen Präsidenten schon. Und nun gab es einen neuen Chef. Seit langer Zeit stand wieder einmal ein Polizist an der Spitze des Amtes und nicht ein Jurist, der von Polizeiarbeit keine Ahnung hatte.
    Dieser Präsident hatte ihn um Hilfe gebeten. Er hatte ihn in ein teures Hotel eingeladen und ihm seine Wertschätzung offen gezeigt. Konnte er sich dem entziehen? War er insgeheim nicht doch noch immer ein Polizist?

    Seine drei besten Freunde saßen mit ihm zusammen am langen Tisch im Hinterzimmer des Basta . Mario, Martin und Leopold. Mario war Künstler. Er war der Kreative in der Runde. Mario stand für die Überlegenheit des Gefühls über den Verstand. In seinem Atelier in der Reinsburgstraße schuf er große farbige Bilder, die alle von dem gleichen Sammler gekauft wurden, dessen Namen er vor allen geheim hielt, sogar vor Anna, seiner Frau. Erst
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher