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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott
Autoren: Wolfgang Schorlau
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vor Kurzem hatten die beiden geheiratet, und seither sprach Mario fast jeden Abend, an dem die Freunde sich trafen, vom romantischen Glück der Ehe. Mit Anna zusammen betrieb er in seiner Wohnung das St. Amour, ein Ein-Tafel-Restaurant. Er kochte leidenschaftlich gern und gut, und so war das St. Amour zu einem Geheimtipp in der Stadt geworden. Vor allem in Künstlerkreisen hatte sich herumgesprochen, dass man nirgendwo so außergewöhnlich und so gut essen konnte wie in Marios Wohnzimmer.
    Georg Dengler und Mario kannten sich schon seit ihrer Kindheit. Sie waren in Altglashütten aufgewachsen, einem kleinen Ort im Schwarzwald. Beide waren als KinderAußenseiter im Ort gewesen, beide waren sie vaterlos aufgewachsen, und vielleicht war das der Grund, warum die beiden Einzelgänger letztlich Freunde geworden waren. Dabei hätten sie unterschiedlicher nicht sein können: Dengler war ein Grübler, Mario dagegen war impulsiv. Dengler hatten seine langen Beamtenjahre beim Bundeskriminalamt mehr gefärbt, als er es selbst für möglich hielt. Obwohl er im BKA vieles erlebt hatte, das er nicht billigte, war sein Glauben an die Institutionen des Staates nicht nachhaltig erschüttert. Dengler hielt Staat, Polizei und Justiz für wichtige Einrichtungen, ohne sie war ein zivilisiertes Leben für ihn nicht denkbar. Mario hingegen träumte von einer Revolution der Künstler, von einem Aufstand der Kunst gegen die Macht des Geldes. Ihm war Unordnung bedeutend lieber als Ordnung, Chaos war ihm ein natürlicher Glückszustand, und auferlegte Pflicht hasste er aus tiefer Überzeugung.
    Leopold Harder war ein hagerer Mann Ende dreißig. Sein Markenzeichen war die schwarze runde Brille, die ihn schon von Weitem als Intellektuellen verriet. Er war Journalist, arbeitete im Wirtschaftsressort einer der beiden Tageszeitungen der Stadt. Er hatte durch seine Recherchen Georg Dengler bereits in einigen Fällen geholfen. Dengler schätzte die zurückhaltende Gründlichkeit seines Freundes, seinen Sachverstand und die Fähigkeit, komplexe ökonomische Zusammenhänge in einfachen Worten zu erklären. Dengler kannte keinen klügeren Menschen.
    Mario und Leopold hatten Dengler geraten, den Auftrag des BKA anzunehmen. Nur Martin Klein schien dazu nichts sagen zu wollen. Er starrte hinüber zur Tür. Eine Frau war eingetreten und hatte sich an die Bar gestellt. Sie sah sich suchend um.
    Mario, der Kleins Blick folgte, pfiff durch die Zähne. Die Frau war hochgewachsen, dunkelhaarig, nicht hinreißend schön, aber attraktiv, sie hatte etwas Spanisches, Rassiges an sich – gebräunte Haut, schwarze Augen, eine gute Figur, die durchdas kurze schwarze Kleid, das sie trug, perfekt betont wurde. Am auffälligsten aber war ihre Haltung. Sie zeichnete jene unwiderstehliche Attraktivität aus, die selbstverständliches Selbstbewusstsein bewirkt.
    »Kennst du die Frau?«, fragte Mario Martin Klein, der immer noch zur Bar hinüberstarrte.
    Klein schüttelte den Kopf.
    »Leider nicht.«
    »Soll ich sie an den Tisch bitten? Vielleicht trinkt sie ein Glas mit uns?«
    »Auf keinen Fall. Was soll so eine Frau mit uns anfangen?«
    Martin Klein war der Älteste der vier Freunde. Es ärgerte ihn, dass ihm als einzigem der Freunde bereits Haare aus der Nase und den Ohren wuchsen. Jeden Morgen kontrollierte er ihren Wuchs. Früher war er ihnen mit einer Nagelschere zu Leibe gerückt, doch seit er in einem türkischen Film gesehen hatte, wie ein Istanbuler Friseur seinen Kunden diesen lästigen Makel mit einem Feuerzeug abgeflammt hatte, versuchte er dies auch. Daher rührte die kleine Brandblase unterhalb seines rechten Nasenlochs, und diese Blase war der Grund, warum er auf keinen Fall wollte, dass diese schöne Frau an ihren Tisch kam. Eitelkeit war eine seiner kleineren Schwächen.
    Klein lebte davon, dass er Horoskope für einige Frauenmagazine verfasste, und auch das wöchentliche Horoskop im »Aktuellen Sonntag« stammte aus seiner Feder. Er verdiente damit nicht schlecht, aber er litt unter seiner Arbeit, weil er Astrologie für einen Schwindel hielt, einen harmlosen zwar, einen Aberglauben, für den aus ihm unerfindlichen Gründen hauptsächlich Frauen anfällig waren. Es grämte ihn zusehends, dass er sich daran beteiligen musste, um über die Runden zu kommen.
    »Niemandem leuchtet es ein, warum die Kraft der Sterne erst zum Zeitpunkt der Geburt wirken soll«, erklärte er. »Diese angeblich so mächtigen Kräfte durchdringen die Mauernund die Isolierung von
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