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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen
Autoren: Burkhard Rüth
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dauerte eine Weile, bis er wieder einigermaßen Luft bekam. »Das war knapp«, keuchte er. »Danke, Signor Gemini, Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Wir wollen nicht übertreiben. So gewaltig ist dieser Bach nun auch wieder nicht. Aber Sie hätten sich ernsthaft verletzen können. Kommen Sie, wir gehen weiter. Passen Sie besser auf, wo Sie hintreten.«
    Achatz war fast ein wenig überrascht, dass Gemini die Gunst des Augenblicks nicht genutzt hatte. Er hätte gar nichts tun müssen, Achatz wäre kopfüber in das tosende Gewässer gefallen. Aber ein Menschenleben als Preis für ein paar Überweisungen nach Liechtenstein war ihm wahrscheinlich zu hoch. Denn Achatz war überzeugt, dass er einen Sturz in diesen reißenden Fluss kaum überlebt hätte.
    Als sie um die kleine Biegung kamen, saßen die anderen auf einem großen Felsen. Vorwurfsvoll sagte Mantinger: »Da seid ihr ja endlich, wir dachten schon, ihr wollt ein Bad nehmen. Setzt euch, trinkt was. Ihr seht ja selbst, wie steil es da vorne raufgeht! In zehn Minuten gehen wir weiter.«
    Franz Junghans hatte seine Flasche schon verstaut. Jetzt sah er den still dasitzenden Fabio Franco an, der versonnen in Richtung Ursprungtal blickte. »Na, Fabio, du bist heute nicht gerade der Inbegriff der Gesprächigkeit. Wo bist du mit deinen Gedanken?«
    »Nirgendwo.«
    »Komm, sei ehrlich«, flachste Ernesto Panzini, »du wärst jetzt viel lieber in deinem Weinberg, oder?«
    »Oder noch lieber in Florenz, stimmt’s? Das behauptest du zumindest immer«, frotzelte Junghans weiter, »aber das nimmt dir ja kein Mensch ab. Wir sind doch unter uns. Erzähl mal, was du tatsächlich in deinen Urlauben treibst.«
    Fabio Franco war Mitte fünfzig, etwas eigenbrötlerisch, aber absolut zuverlässig. Und er hatte ein Hobby, in das er sich dermaßen verbissen hatte, dass seine kinderlose Ehe daran gescheitert war: ein kleiner Weinberg in Sankt Magdalena, in dem er nach Feierabend jede freie Minute verbrachte. Umso verwunderlicher war es, dass er ausgerechnet in seinen Urlauben selten dort war, sondern verreiste. Wohin, wusste niemand.
    Erbost blickte er von einem zum anderen. »Redet nicht so einen Blödsinn«, fauchte er. »Ich fahre nach Florenz, manchmal mache ich einen Abstecher an die Küste. Und ich wäre nicht lieber in meinem Weinberg. Ich mache diese Touren genauso gerne wie ihr. Hört endlich auf damit!«
    Doch auch Mantinger fand Gefallen daran, den geschätzten Kollegen aufzuziehen. »Ein Weinberg ist bestimmt ein teures Hobby, oder? Wovon bezahlst du das eigentlich? Ich meine, wir verdienen ja nicht schlecht – könnte übrigens bald ein bisschen mehr sein, Signor Gemini.« Er grinste seinen Vorgesetzten breit an. »Aber reicht das für einen Weinberg?«
    Ernst erwiderte Franco Mantingers forschenden Blick. Leise sagte er: »Du bist neugierig, mein Lieber. Ich habe nichts zu verbergen. Ich habe erstens gespart, zweitens gönne ich mir kaum etwas anderes. Dann reicht das Gehalt.«
    »Verstehe«, sagte Mantinger beschwichtigend, »geht uns nichts an. Kommt, Leute, weiter, wir haben noch was vor uns.« Sie setzten sich in Bewegung.
    Es war in der Tat sehr steil. Achatz spürte, dass er sofort wieder anfing zu schwitzen. Außerdem bekam er immer schlechter Luft. »Mein Gott, ist das anstrengend!«, schnaufte er. »Mir wird schlecht, ich habe den Eindruck, der Gletscher vor uns leuchtet gelb. Das ist doch unmöglich! Und dann ist da so ein Ziehen in der Brust. Ich denke, mehr ist für mich heute nicht drin. Ich bin froh, wenn wir an der Hütte sind.«
    »Sollen wir einen Moment stehen bleiben?«, fragte Mantinger.
    »Nein, lasst uns weitergehen«, stieß Achatz hervor, »dann haben wir es bald hinter uns.«
    Nach weiteren zehn Minuten wurde der Weg flacher, und sie kamen auf eine Gruppe großer Felsplatten zu. Vor ihnen tauchte ein Schild auf, das nach links zeigte. »Lenkstein« stand darauf. Der Schmerz in Achatz’ Brust wurde jetzt rasch stärker. Ihn überkam Panik, er kannte die Symptome, aber nicht in dieser Form.
    »Mein Gott, Arthur, was ist mit dir los?«, fragte Sabrina Parlotti. »Du wirst plötzlich kreidebleich.«
    »Ich weiß nicht, ich habe ein starkes Ziehen in der Brust, bekomme ganz schlecht Luft.«
    »Wie bitte?«, rief Mantinger aufgeregt. »Arthur, los, setz dich sofort hin. Fabio, hol Wasser aus dem Rucksack.« Mantinger kramte sein Handy aus der Seitentasche seiner Wanderhose. Mit omnitel hatte man seit diesem Jahr auch hier oben Empfang. Ohne zu
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