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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer
Autoren: Inge Lempke
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sich ihr ein paar Haare auf den Armen hoch. Sie seufzte auf und sah wieder gedankenverloren aus dem Küchenfenster. „Ich rief ihn gegen 21 Uhr auf seinem Handy an und wollte wissen, wie lange es noch dauert. Da erzählt er mir, er käme gerade aus dem Krankenhaus, weil sein Fuß genäht werden musste ... er sei nämlich im Stall in eine Heugabel getreten. In einer halben Stunde sei er zu Hause.“
    An dieser Stelle tuschelten Heinz und Lange miteinander, aber Rike verstand kein Wort. Hatte Johann im Krankenhaus vielleicht doch etwas erzählt, das sie belastete? Natürlich hatte er dort keine Heugabel erwähnt. Aber schließlich konnte er Rike doch angelogen haben, was die Verletzung betraf.
    Sie würde jetzt eisern bei ihrer Version bleiben, und so redete sie mit eintöniger Stimme einfach weiter: „Ich machte was zu essen für uns, holte eine Flasche Wein aus dem Keller und wartete ... und wartete.“ Rike fing an, sich mit einer Hand heftig und leicht hysterisch am Hals zu kratzen.
    Kommissar Heinz stand auf, kam zu ihr hinüber, hielt ihre Hand fest und sprach auf sie ein. „Bitte, Frau Wolter, beruhigen Sie sich, ist ja gut, soll ich den Arzt ko mmen lassen?“
    „Nein, es geht schon “, flüsterte Rike schwach und zog ihre Hand aus seinem Griff.
    „Ihr Mann hat mit keinem Wort erwähnt, wo er hin wollte?“ , fragte jetzt Kommissar Lange, und es schien Minuten zu dauern, bis er den Satz zu Ende gebracht hatte, obwohl man nach fünf Sekunden wusste, was er sagen wollte.
    „Er hat keinen Namen genannt?“ , fügte Heinz hinzu.
    „Nein.“ Rike schüttelte langsam den Kopf.
    „Und Sie waren den ganzen Tag zu Hause?“
    Rike horchte auf. War das eine Fangfrage? Hatte man sie in der Stadt herumfa hren sehen?
    Sie schau te ihre Hände an. „Morgens waren Johann und ich zusammen einkaufen, im Supermarkt, danach haben wir im Restaurant gegessen. Am späten Nachmittag bin ich bei meinem Haus vorbei gefahren, um nach dem Rechten zu sehen ... und anschließend war ich kurz in der Stadt und auf dem Friedhof.“
    „Wir müssen unbedingt rausfinden“ , fuhr Heinz fort, „wo Dr. Wolter den Nachmittag über gewesen ist. Meinen Sie, unten in der Praxis gibt es einen Hinweis?“
    „Sehen wir nach “, bot Rike an und erhob sich vom Sofa wie eine alte Frau. Während sie die beiden Männer nach unten führte, offenbarte sich ihr plötzlich das nächste Problem: was, wenn Kommissar Heinz in das verschlossene Zimmer hineinwollte?! So deutlich wie nie zuvor fühlte sie, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, die Welt mit der blauen ,Isis‘ zu konfrontieren. Sie musste sich dringend etwas einfallen lassen!
    Also schob sie Heinz und Lange in Johanns sogenanntes Sprechzimmer, in dem der PC stand. Ein paar Patientenakten lagen auf seinem Schreibtisch herum, mit denen die Kommissare erst einmal eine Weile beschäftigt sein würden.
    „Sie können sich hier gerne überall umschauen. Ich geh so lange in den Garten und schnappe ein wenig frische Luft.“ Sie nahm eine Schere mit nach draußen und schnitt ab und zu, immer schön langsam und mit versteinertem Gesicht, trockene Zweige oder abgeblühte Teile aus den Pflanzen.
    Nach einer Weile hörte sie, dass man nach ihr rief. Sie ging zurück ins Haus, und da standen die beiden Herren im Flur. Vor der verschlossenen Tür.
    „Was ist da drin?“, fragte Kommissar Heinz, während Lange mit dem Daumen auf die Tür wies.
    Rike hatte eine Antwort, wenn auch keine perfekte. Die gab es nicht. „Das ist soz usagen unser Archiv. Ich glaube nicht, dass Ihnen da irgendwas weiterhilft. Aber wenn Sie wollen, können Sie natürlich mal reinschauen ... im Moment weiß ich nur nicht, wo der Schlüssel ist.“ Sie runzelte die Stirn und tat, als versuche sie sich zu erinnern. Im gleichen Augenblick schien etwas Großes, Unsichtbares, Kaltes durch den Flur zu kriechen. Rike bekam eine Gänsehaut vom Kopf bis zu den Füßen. Aber nicht vor Angst.
    Die beiden Kommissare hingegen sahen sich mit großen Augen um, mit Augen, in denen z unächst erhebliches Befremden zu sehen war, das sich unerwartet in Desinteresse verwandelte. ,Isis‘ hatte eine Menge Macht hier an der Quelle.
    „Vielleicht müssen wir später ins Archiv, wenn wir überhaupt nicht weiterkommen“, erklärte Heinz und spazierte langsam auf die Haustür zu. „Wir werden jetzt erst mal den letzten Patienten bzw. deren Besitzern einen Besuch abstatten. Die kennen sich doch alle untereinander, vielleicht weiß einer von
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