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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition)
Autoren: L.B. Roth
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verschwommen. Er hatte keine Kraft, sich wieder hochzuhieven.
    »Komm her«, keuchte sein Vater und spuckte Blut auf den Boden.
    David blinzelte ein paar Mal, um wieder halbwegs sehen zu können. »Ich rufe einen Krankenwagen«, presste er hervor. Dann stemmte er sich mit einem Ruck hoch. Vor seinen Augen flimmerten bunte Punkte. Er hielt sich an der Wand fest und wartete, bis sein Kreislauf wieder einigermaßen zuverlässig war.
    »Ruf den Notarzt!«, rief der Zusteller plötzlich und riss ihn in die schreckliche Wirklichkeit zurück.
    David sah, wie der Mann sich zu seinem Vater beugte und etwas zu ihm sagte. Die Arme seines Vaters schlangen sich plötzlich um den Hals des Fremden und zogen ihn zu sich heran. David drehte sich schwindelig um. Er musste endlich einen Notarzt rufen.

    127

    Als David den Hörer wieder auflegte, fühlte er sich vollkommen erschöpft. Einen Moment dachte er daran, sich einfach hier auf die Couch zu legen und zu schlafen. Wenn er später aufwachte, würde schon alles wieder im Lot sein.
    Da drang plötzlich die Stimme des Paketzustellers zu ihm: »Oh nein, bitte nicht, bitte ...«
    David gefror das Blut in den Adern. Mit einem Mal war er alles andere als müde. Er hatte das dringende Bedürfnis, von hier fortzulaufen. Irgendwas in diesem Haus war - böse.
    Als er aber um die Ecke trat und in den Flur blicken konnte, vergaß er seinen Fluchtgedanken. Im Hauseingang lag sein Vater, den Kopf im Nacken, die Augen starr nach oben gerichtet und Blut lief ihm aus dem Mundwinkel. Der Zusteller kniete über ihm und wimmerte. Davids Beine wurden wieder weich, doch er hielt sich am Türrahmen fest. Das alles war ein einziger Alptraum. Und David konnte noch immer nicht begreifen, was da genau zwischen Paolo und seinem Vater abgelaufen war.
    »Verdammte Scheiße, verdammte Scheiße ...«, jammerte der Fremde und wischte sich dabei immer wieder über den roten Mund.
    Davids Hals zog sich zu. Er sah die blutigen Lippen des Fremden und das Blut, das aus dem Mund seines Vaters sickerte. Nur mühsam bekam er noch Luft. Er hatte sich kein Stück bewegt und trotzdem war er völlig außer Atem. Mit einem Kuss fing alles an, mit einem Kuss sollte es enden. Er taumelte nach vorn, nur um in der Mitte des Flurs wieder stehen zu bleiben. Sein Vater ... Sein Vater ...
    Der Bote erhob sich langsam und ließ Ansgar ganz auf den Boden rutschen. Für einen Moment wirkte er vollkommen aufgelöst, doch dann fasste er sich und sah David an, als wüsste er ganz genau, was hier passiert war.
    »Ist er ...«, begann David, obwohl er längst wusste, dass sein Vater tot war.
    Der Mann nickte. »Ja, Kleiner, er ist tot.« Noch immer war sein Mund von Blut verschmiert. David dachte daran, dass Paolo seinen Vater geküsst hatte, bevor alles ins Chaos gestürzt war. Jetzt wurde er den Gedanken nicht los, dass auch der Paketzusteller seinen Vater geküsst haben musste. Woher sollte sonst das Blut stammen? Aber das machte doch gar keinen Sinn ... Das konnte nicht sein, das durfte nicht ...
    Vor Davids Augen verwischten die Farben wieder. Vorsichtig trat er zurück und blinzelte. Seine Umgebung fügte sich langsam wieder zu einem zusammenhängenden Bild. Paolo hatte seinen Vater umgebracht! Und endlich verspürte er Wut in sich aufsteigen.
    Auf der anderen Straßenseite lief seine Mutter schreiend aus dem Haus. Immer wieder rief sie völlig außer sich den Namen seines Vaters.
    David fasste sich unwillkürlich an die Brust. Es erschreckte ihn, seine Mutter so zu erleben. Er tat noch einen Schritt zurück, trat auf etwas drauf und knickte mit dem Fuß um. Doch bevor er stürzen konnte, fing er sich wieder. Dann sah er das Messer, mit dem Paolo seinen Vater getötet hatte. In der Ferne hörte er Sirenen. Das Geschrei seiner Mutter überlagerte sie aber.
    Paolo hatte ihn benutzt, dachte David. Er hatte von Anfang an gewusst, was passieren würde. Er hatte seinen Vater provoziert. Es hätte ihm doch klar sein müssen, dass es irgendwann so enden würde, oder nicht?
    Seine Mutter warf sich im Eingang auf die Knie und riss seinen Vater an sich. Sie schrie und weinte hysterisch. David konnte kaum atmen. Die Wände begannen sich wieder zu drehen und als er nach unten schaute, war das blutige Messer alles, was er wirklich erkennen konnte. Furchtbar langsam hob er es auf. Mit einem Schlag war wieder alles klar. David sah sich um. Seine Mutter saß in weiter Ferne und hielt seinen Vater. Sein Blut verschmierte ihre weiße Bluse. Der Zusteller
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