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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition)
Autoren: L.B. Roth
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strahlend die Hand entgegen.
    Gessen lächelte zögerlich. »Ja, der bin ich.« Er ergriff die Hand. »Mit wem habe ich die Ehre?«
    »Paolo Jobim!«, sagte der Fremde, als müsse Gessen ihn schon längst kennen. »Ich habe mir gedacht, dass ich sie persönlich abhole.«
    Gessen nickte zweifelnd. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass man ihn auf den Arm nehmen wollte. Der Mann vor ihm sah aus wie Ende zwanzig, aber keinesfalls wie ein Geschäftsführer. Schon gar nicht wie der Chef eines Inkassounternehmens, das auf dem besten Weg war, Marktführer zu werden. Da musste eine Verwechslung vorliegen, ganz bestimmt.
    Jobim ging ein paar Schritte vor. »Als erstes werde ich Ihnen kurz das Unternehmen zeigen. Ist nicht sonderlich viel. Sie sind da sicher ganz andere Größen gewöhnt.«
    Trotz seiner Zweifel folgte Gessen dem Jungspund in die Büroräumlichkeiten.
    »Hier zur Linken sitzt die Technik. Ich werde Sie nachher noch vorstellen. Gerade durch befindet sich unser Call-Center - hört man ja. Wenn Sie möchten, können Sie später mal reinhören. Ich hab die Mannschaft schon auf Ihren Besuch vorbereitet.« Jobim sah Gessen auffordernd an. »Sie haben doch Interesse, in die einzelnen Bereiche mal reinzuschauen?«
    »Natürlich«, sagte Gessen und fühlte sich überrumpelt.
    »Aber ich sehe schon, das ist alles ein wenig viel.« Jobim sah ihn abschätzend an. »Keine Angst, Sie werden sich hier schneller als Sie denken wie zu Hause fühlen. Ach, hier ist die Küche.« Jobim zeigte auf eine Tür. »Wollen Sie was trinken?«
    »Nein«, sagte Gessen und fügte schnell noch ein »Danke« an. Er fühlte sich in der Gegenwart des jungen Mannes unwohl. Irgendwie konnte er immer noch nicht glauben, dass dieser Typ ab sofort sein neuer Vorgesetzter sein sollte.
    Jobim nickte. »Dann sollten wir vielleicht in mein Büro gehen. Ihr Büro wird übrigens gegenüber liegen.« Er zeigte auf einen Raum, dessen Wände fast gänzlich aus Glasscheiben bestanden. Gessen verspürte augenblicklich eine Abneigung gegen diesen Arbeitsplatz. Aber noch war es zu früh, sich über solche Sachen zu beschweren.
    Sie betraten Jobims Geschäftszimmer, der einzige Raum, dessen Wände nicht aus Glas bestanden. Hier konnte niemand einfach so hineinsehen. Der junge Unternehmer schloss die Tür und lächelte ihn wieder herausfordernd an. »Wollen Sie vielleicht etwas Richtiges trinken?«
    »Wie meinen?«, fragte Gessen.
    »Alkohol«, sagte Jobim knapp. Sein Lächeln wurde schwächer. »Wenn Sie möchten ...«
    »Oh, nein danke« Gessen überlegte, ob er etwas bezüglich Alkohol am Arbeitsplatz sagen sollte, verzichtete aber darauf.
    »Setzen Sie sich doch bitte.« Jobim ließ sich in seinen viel zu groß erscheinenden Chefsessel fallen und legte die Füße hoch.
    Gessen verzog unwillkürlich das Gesicht. Jetzt wusste er, was ihn an seinem Gegenüber besonders störte. Es war nicht das südländische Aussehen und auch nicht das offensichtlich viel zu geringe Alter, sondern diese seltsame Art. Irgendwie kam Jobim zwar freundlich und zuvorkommend an, aber dennoch hatte alles, was er sagte, einen überheblichen und rotzigen Klang.
    »Übrigens«, sagte Jobim nachdem er Gessen ein paar Sekunden gemustert hatte, »wir sind ein sehr junges Unternehmen.«
    »Das ist mir schon aufgefallen«, antwortete Gessen betont gelassen.
    »Man hat mir gesagt, dass Sie wohl eher der klassische Typ sind.« Jobim räusperte sich. »Aber ich denke, das wird sich bald ändern, wenn Sie sich erst mal hier eingelebt haben.«
    Gessen lächelte verhalten.
    »Wissen Sie«, fuhr Jobim fort, »wir verstehen uns als eine große Familie. Diese Art von Unternehmensführung ist Ihnen sicher bekannt.«
    »Ja, natürlich«, sagte Gessen und bemerkte den bissigen Ton in seiner Stimme. Er durfte sich von diesem Schnösel nicht aus der Fassung bringen lassen!
    »Schön«, sagte Jobim. »Ich schlage vor, dass wir uns duzen - ich bin Paolo.«
    Gessen schluckte. »Ansgar.«
    »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich dich den Mitarbeitern auch als Ansgar vorstelle, Ansgar.«
    »Ist das üblich?«, fragte Gessen und spürte langsam Zorn in sich aufsteigen. Dieses selbstgefällige Gehabe würde ihn sicher über kurz oder lang zur Weißglut bringen. Aber vielleicht, versuchte er sich zu beruhigen, war das alles auch nur Taktik, um ihn kennen zu lernen.
    »Wie gesagt, wir sind ein junges Unternehmen und wir sind eine Familie, natürlich duzen wir uns, egal welchen Job wir ausüben.«
    Gessen
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