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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition)
Autoren: L.B. Roth
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finden. Das war eigentlich das Hauptproblem in Hamburg gewesen. Er hatte dort niemanden, den man als Freund bezeichnen konnte. Eigentlich gab es überhaupt niemanden, mit dem er wirklich befreundet war. Ein paar seiner Klassenkameraden hatten ihn zwar verabschiedet, aber im Grunde machte sich keiner von ihnen wirklich Gedanken um ihn.
    Mit einem Ruck stand David auf und streckte sich. Draußen dämmerte es bereits. Es wurde Zeit, dass er ein paar seiner Sachen auspackte. Morgen würde er seinen ersten Tag an der neuen Schule verbringen. Auch das war irgendwie komisch. Er hatte nicht mal Zeit, sich hier richtig einzuleben und schon musste er wieder zur Schule, so als ob sich nichts geändert hätte. Aber, hatte sich überhaupt etwas geändert? Er lebte jetzt in einer anderen Stadt. Er wohnte mit seinen Eltern in einem anderen Haus. Die einzige Sorge machten ihm die Leute, mit denen er ab sofort zu tun haben würde. Würde er mit seinen neuen Klassenkameraden besser klar kommen? Wie würden die Lehrer sein? War das nicht im Grunde überall immer das Gleiche? Wenn er über die Äußerungen seines Vaters bezüglich dessen neuen Vorgesetzten nachdachte, konnte es sehr wohl sein, dass ihm die neue Ausgangsposition doch nicht die erhofften positiven Veränderungen bringen würde.
    David öffnete den ersten Karton und nahm einen Stapel Bücher heraus. Nachdenklich stellte er sie auf den Schreibtisch. Zumindest würde er nun die Gelegenheit haben, sich noch mal ganz neu zu arrangieren. In Hamburg hatte man ihn in eine Rolle hineingepresst, bis er schließlich der Meinung seiner Mitschüler entsprochen hatte. Hier kannte ihn noch keiner. Niemand würde wissen, wie es ihm in Hamburg ergangen war. Keiner würde in ihm einen Schwächling sehen, wenn er sich nicht als solcher ausgab. Im Grunde konnte er sich ganz neu erfinden. Deshalb hatte er seinen Vater in dieser Idee auch unterstützt. Er brauchte die Möglichkeit, noch mal von vorn anzufangen. Und diese Chance würde er nutzen.
    David sah einen Moment träumend aus dem Fenster. Gegenüber stand ein großes Einfamilienhaus, dessen rote Backsteine im Licht der untergehenden Sonne leuchteten. Im Fenster rechts neben der Eingangstür sah er eine Frau, die mit irgendwas beschäftigt war. David kniff die Augen zusammen und beobachtete sie einen Moment lang. Dann bückte er sich wieder über den Karton und hob einen weiteren Bücherstapel heraus, stellte ihn neben den anderen auf den Schreibtisch und blickte wieder unversonnen hinaus. Es gefiel ihm, das Haus gegenüber zu beobachten. Irgendwo in seinen Kartons hatte er noch ein Fernglas. Wenn das kein Anreiz war, noch heute sämtliche Kartons auszupacken. David lächelte und griff wieder nach den Büchern, als er innehielt. Auf dem Boden des Kartons lag ein Buch, das er mit Absicht versteckt hielt. Er holte es hinaus. Das Cover sah ein wenig billig aus und ließ auf einen Krimi schließen. David hatte das Buch gleich zwei Mal gelesen, seit er es im Internet ersteigert hatte. Es war eines von jenen Büchern, denen man ihren homosexuellen Inhalt nicht unbedingt sofort ansehen konnte. Aber trotz des harmlosen Covers hatte es ihm einiges an Überwindung gekostet, es tatsächlich zu sich nach Hause schicken zu lassen, denn ein Buch kaufte man nicht für seine Umschlaggestaltung. Nicht auszudenken, wenn seine Mutter das Paket in die Hände bekommen hätte. Er würde vor Scham sicher in Ohnmacht fallen.
    David wollte das Buch gerade beiseite legen, als sich die Tür hinter ihm öffnete.
    »Kommst du klar?«, fragte seine Mutter.
    Erschrocken ließ David das Buch fallen. »Ja«, presste er hervor und hob das geheime Werk wieder auf. Er errötete.
    »Ist irgendwas?« Seine Mutter klang augenblicklich alarmiert. Natürlich entging es ihr nicht, dass David ihr plötzliches Auftauchen unangenehm fand.
    »Was soll sein?«, fragte David und gab sich Mühe, möglichst unverfänglich zu klingen. Das Buch legte er mit dem Cover nach unten auf einen der Stapel.
    »Ich dachte nur«, sagte seine Mutter. »Du bist so - still.«
    »Für normal redet man auch nicht, wenn man allein ist«, antwortete er. Seine Gesichtsfarbe schien langsam wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren und er fühlte sich wieder sicherer. Seine Mutter schien nicht an dem Buch interessiert zu sein. Nicht auszudenken, wenn sie da mal reinschaute. Trotz Kriminalhandlung wurden so ziemlich auf jeder Seite irgendwelche sexuellen Dinge beschrieben. Das war für ihn selbst natürlich
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