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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition)
Autoren: L.B. Roth
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Deckenlicht auszustellen. Diesmal zog er noch den schwarzen Slip aus, bevor er sich ins Bett legte. Aufgrund der anderen Lichtverhältnisse blieb die Körpermitte des Jungen für David in dieser Nacht ein Bereich, mit dessen Ausschmückung er seine Fantasie beauftragen musste. Ein paar Minuten hielt er zwar noch das Fernglas an die Augen gedrückt, aber in dem anderen Raum regte sich nichts mehr. Schließlich wurde das Licht gelöscht und David blickte ins Dunkle. Endlich konnte er sich die Zähne putzen und in seinen wohl verdienten Schlaf sinken, denn in einem hatte seine Mutter recht: Er musste früh wieder raus.

Montag

    Komm rüber

    Komm zu mir
    Ich warte auf dich
    Nehme dich auf
    Komm rüber
    Zu mir rauf
    Ich zieh dich
    Zu mir hin
    Ertaste dich
    Mit meinem Sinn
    Komm rüber
    Leg dich hin
    Komm

    M. Nagy

    6

    Es war schon hell, als Davids Mutter ins Zimmer kam. »Du musst langsam aufstehen«, sagte sie, wie jeden Morgen, wenn er zur Schule musste. Und da die Ferien nun vorbei waren und er in eine neue Schule gehen musste, weckte sie ihn besonders früh.
    Schlaftrunken nahm David den Wecker von seinem Nachttisch und kontrollierte die Zeit. Er hatte noch eine halbe Stunde.
    »Sag mal, ziehst du den Schlafanzug nicht an, den ich dir gerade neu gekauft habe?«
    David ließ sich kraftlos ins Kissen zurückfallen. »Jetzt nicht, okay?« Natürlich hatte er vergessen, das Teil noch vor dem Schlafen anzuziehen. Es war viel erotischer, mit dem Gedanken an seinen neuen Nachbarn im Bett zu liegen und nichts anzuhaben. Plötzlich war er hellwach. Er hatte nichts an! Schnell zog er seine Bettdecke über den Oberkörper. Seine Lenden waren glücklicherweise bedeckt gewesen, als seine Mutter ins Zimmer gekommen war.
    »Irgendwas stimmt mit dir nicht«, sagte sie nachdenklich. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie nicht locker lassen würde, ehe sie hinter das vermeintliche Geheimnis gekommen war.
    »Ach, Mam, es ist alles in Ordnung, lass mich einfach noch ein bisschen schlafen, okay?« David zog die Decke über den Kopf.
    »Du musst zur Schule, Davi! Du willst doch nicht gleich am ersten Tag zu spät kommen!« Sie zog die Bettdecke wieder ein Stück hinunter, allerdings nicht so schwungvoll, wie sie es normalerweise tun würde. David begriff aber, dass es wohl besser war, nachzugeben. Er wollte nicht riskieren, dass sie ihn doch nackt im Bett erwischte.
    Mit einem künstlichen Grinsen im Gesicht sagte er: »Hast gewonnen.« Vorsichtig setzte er sich auf, wobei er darauf achtete, dass die Bettdecke ihn gut verhüllte.
    Seine Mutter verließ das Zimmer aber nicht. Sie bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, der nicht mehr aufhören wollte. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass sie nun solange dort stehenbleiben würde, bis er aus dem Bett stieg.
    »Schläfst du nackt?«, fragte sie schließlich.
    David war von der Naivität dieser Frage dermaßen überrollt, dass er sofort wahrheitsgemäß mit »ja« antwortete. Er hätte sich augenblicklich ohrfeigen können, aber nun war es raus und es gab kein Zurück mehr.
    »Gibt es dafür einen Grund?« Sie sah ihn mit großen Augen an.
    Was sollte er ihr sagen? Dass er es erregender fand und sich davon heißere Träume mit dem Nachbarsjungen erhoffte? »Ich - ich fand den Schlafanzug einfach unbequem. Und da es ja eh so heiß ist ...«
    Sie sagte eine Weile nichts. Es schien, als müsse sie erst überlegen. Kurz öffnete sie den Mund, schloss ihn wieder, nur um danach zu fragen: »Schläfst du ab jetzt immer nackt?«
    David zögerte einen Augenblick. Dann entschied er sich aber, wieder die Wahrheit zu sagen: »Ja.«
    »Gut, ich werde dann keine Schlafanzüge mehr kaufen.« Sie ging aus dem Zimmer. Von der Treppe aus rief sie ihm noch zu: »Aber beschwer dich im Alter nicht!«
    »Versprochen!«, antwortete er laut und fügte leise an: »Das bisschen Rheuma werde ich wohl ertragen können.« Dann schlug er die Decke zurück und sprang aus dem Bett.
    Knapp dreißig Minuten später verließ er das Haus, nicht ohne einen verstohlenen Blick auf zu den Nachbarn rüberzuwerfen. Die Wolken spiegelten sich im oberen Fenster, sodass David nichts sehen konnte. Aber es hätte ohnehin nicht viel zu sehen gegeben, dachte er, zumindest nicht mehr als gestern. Er ging an der Trauerweide vorbei den kleinen Weg hinunter zu den Wiesen. Fast sah es hier aus, wie in einem kleinen Park. Gegenüber lag schon die Schule, die er ab heute besuchen würde. Wieder dachte er darüber nach, wie
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