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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
Autoren: Jodi Meadows
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körperlich. Vom dreihundertdreißigsten Jahr der Lieder an gerechnet. Aber seine Seele war bereits während der dreihundertneunundzwanzig Jahre davor da gewesen und in all den Jahren dazwischen. »Ich denke, du lässt bei dieser Rechnung ungefähr fünftausend Jahre aus.«
    Schweigen war anscheinend seine Lieblingsantwort. Er gab mir einen Frühstücksriegel mit Hafer und Trockenfrüchten und führte Zottel weiter den Weg entlang. Der Schnee blendete in der Sonne und ließ meine Augen tränen. Ich zog meine Fäustlinge an und die Kapuze auf.
    Ich ging voran, obwohl er mich mit seinen langen Beinen leicht hätte einholen können. Es war schön, dass er nicht versuchte, mich abzuhängen, wie Li es getan hätte, aber das lag vielleicht nur an dem Pony und daran, dass er wegen der Hufe auf dem glatten Boden besonders Acht gab.
    Kiefernzweige ragten in den Weg, schwer beladen mit glitzerndem Schnee. Ich wich ihnen aus und duckte mich unter ihnen hindurch, bekam aber trotzdem Schnee auf den Mantel, den ich abklopfte.
    »Ist das Lis Mantel?« Er kam mühelos zwischen den ausladenden Bäumen hindurch.

    »Ich habe ihn nicht gestohlen.«
    »Das habe ich nicht gefragt.«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Was ist mit diesen Stiefeln? Trägst du die auch auf?«
    Was hatte er für ein Problem? Ich wurde ärgerlich und blieb stehen, aber keine Worte waren scharf genug für das, was ich sagen wollte, daher murmelte ich nur mit gesenktem Kopf: »Eine Seelenlose braucht keine eigenen Sachen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte«, ich sah ihm wütend ins Gesicht, »eine Seelenlose braucht keine eigenen Sachen, wenn sie nur das eine Leben führen wird.«
    »Neuseele.« Sein Gesichtsausdruck war ein Rätsel. Lis Miene deckte für gewöhnlich eine Palette von Zorn bis Verachtung ab, doch obwohl er die Augenbrauen zusammengezogen hatte und ganz klar Unmut signalisierte, sah er nicht so aus, als würde er mich gleich für eine Woche in mein Zimmer sperren. »Und sei nicht albern. Du solltest deine eigenen Sachen haben. Dein Körper ist immer noch einzigartig, und diese alten Sachen passen dir nicht. Außerdem sind sie alt. Sie fallen auseinander.«
    Alt. Er sollte es besser wissen. »Macht nichts. Li gehört ab jetzt nicht mehr zu meinem Leben.« Ich ging weiter in die eingeschlagene Richtung. »Ich werde keine Zeit damit verschwenden, mich über Dinge zu ärgern, die ich nicht kontrollieren kann. Wenn ich nur ein einziges Leben habe, sollte ich das Beste daraus machen.«
    Sam und Zottel holten mich ein. »Klug.«
    »Das meinte Li auch jedes Mal, wenn ich sagte, dass ich sie hasste.« Er war vielleicht nicht wie Li, aber er war bestimmt nicht wie ich. Andererseits war das niemand. »Sie sagte, ich solle meine Zeit nicht damit verschwenden, sie oder Menehem
oder sonst jemanden zu hassen. Das ist ihre Weisheit. Ich bin zufällig der gleichen Meinung.«
    Er zögerte und wurde leiser, als wollte er nicht, dass der Wind es hörte. »Das letzte Mal, dass ich mir dermaßen wie ein Idiot vorgekommen bin, war, als ich Moriah gesagt habe, dass ich seine Idee dumm finde, die Zeit mit einem Zahnradgetriebe zu erfassen statt mit der Sonne auf einer Steinplatte. Und dann habe ich erfahren, dass er im Rathaus eine riesige Uhr gebaut hatte und sie später enthüllen würde.«
    Na gut. Ich konnte ihm verzeihen. Ein bisschen. »Mach dir keinen Kopf deswegen.«
    Als er weitersprach, klang er vorsichtiger. »Macht es dir Angst zu wissen, dass du vielleicht nicht zurückkommen wirst?«
    »Nicht besonders. Der Tod scheint so weit weg.« Von letzter Nacht mal abgesehen.
    Ich kletterte auf einen schneebedeckten Baumstumpf und gab Acht, nicht auszurutschen. In dem Moment entdeckte ich meinen Rucksack, der sich in einem Gewirr von Kiefernzweigen verfangen hatte. Ich sprang von dem Stumpf, stapfte ins Gebüsch und zerrte ihn hervor. Doch ehe ich den Rucksack aufsetzen konnte, belud Sam Zottel damit, als wäre ich nicht stark genug, um meine eigenen Sachen zu tragen.
    Aber vielleicht war er auch einfach nur nett, denn mir tat von meinem Sprung in den See tatsächlich alles weh. »Danke«, murmelte ich. »Hättest du denn Angst, wenn du wüsstest, dass dies dein letztes Mal ist?«
    Wir gingen schweigend weiter, während er nachdachte und die Sonne ihren Zenit erreichte. Ich summte vor mich hin und ahmte Rufe der Finken und Meisen nach. Der klarblaue Himmel über den Bergen war perfekt, kaum eine Wolke zu sehen. Die vergangene Nacht hätte nur ein böser Traum sein
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