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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual
Autoren: Patrick Dunne
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erhält als das bedeutungslose statische Rauschen des Alls.
    Wir gingen zurück zu Kens Toyota Land Cruiser, und er brachte eine Thermoskanne mit Kaffee zum Vorschein.
    »Wo hast du denn die ausgegraben?« Es war noch zu früh für ein Frühstück gewesen, als wir das Hotel verlassen hatten. Außer Wasser hatte ich deshalb noch nichts zu mir genommen.
    »Ich habe sie mir von einer Serviererin abfüllen lassen, die in der Hotelküche gerade frühstückte.« Er holte zwei Styroporbecher hervor. »Ich denke eben immer voraus.«
    In dem akustischen Sperrfeuer der Insekten entstand eine plötzliche Pause, aber innerhalb von Sekunden, praktisch ohne Unterbrechung, fingen die Vögel an - die Tagschicht war da, um zu übernehmen. Die Dämmerung war erst ein Hauch von Rosa am Saum des Nachthimmels.
    Zehn Minuten später gab es genügend Licht, dass wir die Umgebung besser in Augenschein nehmen konnten. Die Luft war bereits mild, erfüllt von jenem einzigartigen tropischen Versprechen von Wärme und Leben, von Wachstum und Erneuerung. In den gestrüppreichen Bäumen am Rand des Zenote mischten sich die einzelnen Rufe von Urwaldvögeln zu einem dissonanten Chor aus Zirpen, Trillern, Kreischen, Krächzen und Grunzen. Und mir war bewusst, dass diese morgendliche Kakofonie überall aus den Tausenden von Quadratkilometern der Halbinsel emporstieg.
    Über Yukatan zu fliegen ist, wie auf eine grüne Wüste hinabzublicken, die mit glitzernden Wasserbecken gesprenkelt ist. Das sind die Zenoten - Stellen im dornenreichen Buschwald, wo die Decke über einem riesigen unterirdischen Flussnetz eingestürzt ist. Dieses Flusssystem wird von Regenwasser gespeist, mit dem sich der poröse Kalkstein voll saugt. Es ist wie ein U-Bahn-Netz, zu dem die Zenoten die Eingänge sind. Nicht alle Zenoten sind offene Becken; der Eingang zum System kann durch Höhlen oder sogar schmale Erdspalten erfolgen, von denen manche in riesige Grotten führen, gefüllt mit Wasser, das so klar ist, dass hindurchschwimmende Taucher in der Luft zu schweben scheinen.
    Was sich jetzt meinem Blick darbot, sah aus wie ein Hohlraum, der entstanden war, nachdem eine riesige Maschine einen zylindrischen Kalksteinpfropf aus der Erde gebohrt hatte; anschließend war dieser Hohlraum bis zur Hälfte voll Wasser gelaufen. Die kreisrunde Wand zeigte horizontale Risse in parallelen Bändern entlang der Sedimentschichten und einen struppigen Bewuchs von Sträuchern und Ranken bis hinab zum Wasserrand.
    An der Stelle, wo sich die Staubpiste von der einen halben Kilometer entfernten Pyramide um den Zenote herum öffnete, war der dünne Belag khakifarbener Erde, wie sie das nördliche Yukatan bedeckt, vollständig abgetragen und gab einen unebenen, brüchigen Kalksteinboden frei. Links von uns befand sich der geschlossene Kiosk, vor dem einige der Arbeiter auf verstreut herumstehenden Stühlen saßen und auf Anweisungen warteten.
    Ich trat auf einer rechtwinkligen Felsplatte näher an den Rand und schaute auf eine olivgrüne Scheibe Wasser zwanzig Meter unter mir hinab, die von Büschen und Ranken gesäumt war. Ihre ruhige Oberfläche wurde nur durch ein mir unbekanntes Lebewesen gestört, das eine Furche durch das trübe Wasser zog. Gab es Wasserschlangen in Zenoten? Meine Fantasie ging plötzlich mit mir durch. Wahrscheinlich war es eine Ratte. Das Wasser sah abgestanden aus.
    »Erinnert mich an einen alten, aufgelassenen Steinbruch, der voll Regenwasser gelaufen ist«, sagte Ken hinter mir und artikulierte damit meine noch ungeformten Gedanken.
    Doch ich wusste, dass dieser Zenote, wie alle anderen, irgendwie mit dem Hydrosystem der Region verbunden war und von Wasserläufen gespeist wurde, die unter dem Kalksteinplateau flossen.
    Anstelle der Fledermäuse flitzten inzwischen Mauersegler von einer Seite des Heiligen Brunnens zur anderen. Als ich einen Schritt zurück neben Ken trat, bemerkte ich etwas, das wie ein türkisfarbenes Band aussah, das vom Zweig eines Strauchs in der Wand des Zenote direkt gegenüber von uns herabhing. Die aufgehende Sonne ließ die Farbe hervortreten, und nun sah ich, dass es ein langer Federschwanz war, der an zwei schlanken Bändern zu hängen schien, die ich zu dem halb im Busch verborgenen Vogel zurückverfolgte.
    »Könnte das ein Quetzal sein?«, fragte ich Ken und zeigte mit dem Finger darauf.
    »Die kommen nicht so weit nach Norden«, sagte er.
    Der Vogel kam nun ganz zum Vorschein, und ich sah, dass er rostbraun gefärbt war, mit einer türkisen
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