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Das Mauerblümchen erringen (German Edition)

Das Mauerblümchen erringen (German Edition)

Titel: Das Mauerblümchen erringen (German Edition)
Autoren: Eloisa James
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von Ravensthorpe. War er zornig, nachdem deine Mutter den Brief so schändlich behandelt hatte?“
                  „Wenn ja, dann war es ihm nicht anzumerken. Wir spielten gerade eine recht langweilige Partie Backgammon. Dann ging er, ohne noch einmal persönlich um meine Hand anzuhalten, wie ich es eigentlich erwartet hätte.“
                  „Hast du die Partie gewonnen? Ich fände es ganz schrecklich, wenn nur deine Freundinnen deinen teuflischen Spielkünsten zum Opfer fallen würden.“
                  „Ich habe gewonnen. Aber ich werde in seiner Gegenwart stets so schweigsam, Olivia, ich bin gar nicht ich selber. Er ist von Nahem ebenso schön wie aus der Ferne. Wenn ich ihn sehe, geschieht etwas mit meinem Kopf, und ich bringe kein Wort mehr heraus.“
                  Olivia zog eine Augenbraue hoch. „Und wo ist da das Problem? Genau das würde ich mir in meiner Ehe wünschen: täglich Gelegenheit, einen schönen Mann zu begaffen.“
                  „Gut, dass deine Mutter das nicht hört“, bemerkte Lucy.
                  „Ja, es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr ich Mutter nach all den Jahren noch schockieren kann“, bestätigte Olivia.
                  „Das Schlimmste ist, dass Mutter uns einen Spaziergang im Garten oder eine Ausfahrt in den Park erlaubt hätte, aber er hat nicht einmal darum gebeten!“, platzte Lucy heraus. „Und ich bin nicht mutig genug, es vorzuschlagen. In den letzten Wochen hat er uns stets morgens besucht, einmal in der Woche. Er kam während der üblichen Besuchszeit, blieb genau vierzig Minuten und verabschiedete sich dann in aller Höflichkeit.“
                  „Er hat dich noch nie zu einem Ball begleitet? Oder nach Vauxhall? Zu einem Spaziergang im Park?“
                  „Nichts dergleichen. Normalerweise trinken wir Tee, und dann hole ich das Backgammon-Brett, weil es einfach peinlich ist, schweigend dazusitzen, während Mutter keine Gelegenheit auslässt, um ihrer Verachtung Ausdruck zu geben.“
                  Olivia schaudere. „Das klingt ja ganz schrecklich. Habt ihr euch denn nie unterhalten?“
                  „Vor zwei Wochen hatten wir einen Streit über Lord Byrons Gedichte. Er findet Byrons Lyrik schrill, hemmungslos und zu gefühlsbetont, und von Byron selbst hält er noch weniger. Natürlich war das Thema schnell erschöpft, und ich habe mich seitdem nicht mehr getraut, mit ihm über Literatur zu sprechen.“
                  „Die meisten Männer mögen keine Gedichte“, stellte Olivia klar. „Das ist ein Mangel ihres Geschlechts, aber selten ist es wirklich nicht.“
                  „Es ist so mühsam, weil er einfach nichts sagt , wenn wir zusammen sind. Und ich bringe in seiner Gegenwart keinen Ton heraus. Also sitzen wir schweigend da und schieben Spielsteine übers Brett.“
                  „Ich hätte nichts gegen einen schweigenden Mann mit dem Gesicht deines Verlobten einzuwenden“, sagte Olivia mit einem frechen Kichern. „Er ist wie ein schönes Standbild, das man unablässig betrachten kann, ohne sich bis zum Erbrechen Geschichten über seine Pferde oder seine Kutsche oder seine neue Krawatte anhören zu müssen.“
                  „Du wirst allmählich reichlich zynisch“, tadelte Lucy.
                  „Man muss seine Beschränkungen demütig akzeptieren“, erwiderte Olivia, die alles andere als reuevoll wirkte. „Du solltest dich wirklich nicht über einen schweigsamen Verlobten beschweren, Lucy. Stell dir vor, wie lästig es wäre, wenn er — der bald schon dein Ehemann sein wird — endlos plappern würde wie so manche Männer meiner Bekanntschaft.“
                  „Aber das ist es ja gerade! Ravensthorpe ist nicht mehr mein Verlobter.“ Lucy war schon wieder zum Weinen zumute. „Ich glaube wirklich, mit der Zeit hätte ich ihn dazu überreden können, mir in die Augen zu schauen — denn das vermeidet er meistens, Olivia. Er starrt einfach in die Ferne, als ob ich ihn tödlich langweilte ... wie auch immer, ich ... ich hätte es jedenfalls gerne versucht . Aber jetzt will Mutter, dass ich die Verlobung sofort beende.“
                  „Und das willst du nicht.“
                  „Würdest du das wollen?“ Lucy schaute Olivia forschend an. „Vor Ravensthorpe hat
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