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Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)

Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)

Titel: Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
Autoren: David Macinnis Gill
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seine Schwester. Als Sechser wäre er alt genug, als Zwangsverpflichteter beim (keine Rechtschreibvorschläge) zu dienen. Aber das hier ist ein privilegiertes Kind. Sein Schicksal wird ihn fort vom Planeten und zu einer Privatschule in den Ringen führen, wo man ihn für das Management ausbilden wird. Das gleiche Los hätte auch mich erwartet, wäre ich nicht vom Tag meiner Geburt an dazu erzogen worden, Herr und Herrscher des Mars zu werden.
    »Wach auf, Junge.« Ich drücke auf den Knopf, der die Epi-Dosis in seinen Körper jagt. »Dein Schicksal wartet auf dich.«

KAPITEL 4
    G RABENSYSTEM V ALLES M ARINERIS , W ESTSEITE
A NNOS M ARTIS 238. 4. 7. 08:08
    Außenposten Fisher One, einst bekannt als Heaven, war früher das Zentrum marsianischen Handels und Raumverkehrs, bevor die Bevölkerung den unterirdischen Außenposten verlassen hat, um gleißende Wohnkuppelstädte in der Nähe des Äquators zu bauen. Städte, die immer größer wurden. Städte, mit denen die Bewohner die Außenposten hinter sich ließen. Heute ist Heaven nur noch eine vergessene Lagerstätte. Die Orthokratie hat die Räumlichkeiten umgewandelt in Tausende von Lagerbunkern voller verpackter Nahrungsmittel, Ballen ungenutzter Stoffe, Kisten mit Maschinenteilen und einer endlosen Reihe unter Quarantäne gestellter Schiffscontainer, sicher vernietet und verschweißt, um eine Freisetzung der Seuche zu verhindern. Diese Krankheit hatte die Bevölkerung der Erde dezimiert. Dem Mars erging es besser, weil die Orthokratie den Handel kontrolliert.
    Heute allerdings sind die Bunker beinahe leer. Die Frau, die sie geleert hat, nimmt den Fahrstuhl von der Oberfläche zur Tiefebene. Hier werden die Nahrungsmittel gelagert. Ebenso wie die unter Quarantäne stehenden Container. Die weiter oben liegenden Lagerräume haben die Plünderer bereits um ihre Schätze erleichtert. Stoffe und Ersatzteile für ihre Geschäftsbeziehungen zum Schwarzmarkt. Rohmaterialien im Austausch für Transporte und Gefälligkeiten. Und jetzt: Lebensmittel.
    Mit Nahrung kann man alles kaufen. Nahrung ist die kostbarste Handelsware, und was noch besser ist: Die Bande der Frau kann mit den verpackten, dehydrierten Mahlzeiten nichts anfangen. Nur Blut vermag ihren Appetit zu erregen.
    »Fangt mit dem letzten Bunker an«, befiehlt die Frau einer Gruppe von zwanzig Plünderern, als der Fahrstuhl hält. »Lasst nichts zurück. Keinen Fitzel. Keinen Krümel.«
    Sie ist ein Strich in der Landschaft. Ihre pechschwarzen Locken reichen beinahe bis zum Steißbein. Ringellöckchen umrahmen ein fein gezeichnetes, herzförmiges Gesicht mit einer Alabasterhaut, so zart, dass sie schon durchsichtig wirkt. Sie hebt den Saum ihres Kleides an, als sie den Fahrstuhl verlässt, um den zarten Stoff vor dem staubigen Boden zu schützen. Ihre Füße sind die eines Kindes, und sie sind nackt. Als sie auf ihre Räuberbande zugleitet, erfüllt der Duft ihres moschushaltigen Parfüms die Luft, und mit ihm kommt, unterschwellig wie leises Raunen, der unverkennbare Geruch von Blut.
    Tief gebeugt, sodass ihre langen, verfilzten Haare bis auf den Boden fallen, entgegnen die Plünderer in einem demutsvollen Singsang: »Ja, meine Königin.«
    »Dræu sind ja so nützliche Haustiere«, murmelt sie und beobachtet, wie ihre Leute an den langen Reihen der mit Vorhängeschlössern versehenen Bunker entlangflitzen. Kinder waren hier geboren worden. Waren hier aufgewachsen. Hatten hier gelebt, waren hier gestorben und eingeäschert worden, und man hatte ihre Asche zur Unterstützung der Terraformung auf der Oberfläche verstreut. Nun sind sie alle fort – so wertlos wie der Staub, der von den verfallenden Wänden rieselt.
    »Jedes bisschen hilft«, flüstert die Königin in Erinnerung an das Mantra der ursprünglichen Siedler. Ein ganzes Leben, gelebt in einem Loch im Boden. Mist. Opfer für künftige Generationen. Mist. Die Orthokratie? Mist. Die CorpComs? Mistiger Mist.
    Sie wird das alles ändern. Sie braucht nur noch ein bisschen mehr Zeit. Und ein paar weitere Beutezüge.
    In wenigen Stunden, denkt sie, wird auch diese letzte Ebene geleert sein. Dann erst geht die wahre Schatzsuche los. Die Dræu sind hungrig. Schon vierzehn Tage sind vergangen, seit sie das letzte Mal frisches Fleisch auf ihrem Speiseplan hatten, und der Nahrungsmangel hat sie mürrisch werden lassen. Schwer kontrollierbar. Dræu sind prachtvolle Krieger, herrlich in ihrem Zorn und ihrem Trieb, alles zu verschlingen, was sich ihnen in den Weg stellt.
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