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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer
Autoren: Philip Pullman
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helle Schein des Mondes tauchte alles in tiefes Schwarz und blendendes Weiß und ließ jede Felskante und jede Oberfläche scharf hervortreten.
    Der Sturm musste Wolken herbeigeweht haben, denn plötzlich war der Mond bedeckt und die Landschaft verdunkelte sich. Es waren dicke Wolken, die keinen Strahl durch  ließen. Im nächsten Augenblick war es fast völlig dunkel.
    Dann spürte Will, wie jemand ihn am rechten Arm packte. Er schrie erschrocken auf und versuchte die fremde Hand abzuschütteln, aber sie ließ nicht los. Doch inzwischen war ihm alles egal. Er war am Ende seiner Kräfte angelangt, und wenn er jetzt sterben musste, würde er kämpfen bis zum Letzten.
    Er trat um sich und zog und zerrte, aber die Hand wollte nicht loslassen, und da sie seinen rechten Arm festhielt, konnte er das Messer nicht ziehen. Er versuchte es mit der Linken, wurde aber so heftig herumgestoßen, und außerdem tat die Hand so weh und war so geschwollen, dass er das Messer nicht zu fassen bekam. Er musste mit nur einer unbewaffneten und verwundeten Hand gegen einen erwachsenen Mann kämpfen.
    Er grub seine Zähne in die Hand auf seinem Unterarm, bekam aber im Gegenzug einen Schlag auf den Hinterkopf, dass ihm schwindlig wurde. Dann trat er wieder um sich. Einige Tritte trafen, andere nicht, und zur gleichen Zeit drehte und wand er sich und versuchte sich loszureißen. Der Griff lockerte sich nicht.
    Wie entfernt hörte er sein Keuchen und den harten Atem und das Ächzen des Mannes. Dann brachte er durch Zufall sein Bein hinter das des Mannes und warf sich gegen dessen Brust. Der Mann stürzte, und Will fiel mit seinem vollen Gewicht auf ihn. Doch der Griff lockerte sich keine Sekunde, und Will empfand kalte Angst, als er auf dem steinigen Boden mit dem Mann rang. Der Mann würde ihn nie mehr loslassen, und selbst wenn er ihn tötete, würde seine Leiche ihn immer noch festhalten.
    Seine Kräfte ließen allmählich nach, und er weinte jetzt, schluchzte bitterlich, während er zerrte und stieß und den Kopf des Mannes mit Händen und Füßen bearbeitete. Bald würde er aufhören müssen. Da merkte er, dass der Mann sich nicht mehr bewegte, obwohl seine Hand ihn immer noch festhielt. Er lag nur da und ließ zu, dass Will auf ihn einschlug, und als Will das merkte, verließ ihn seine letzte Kraft, und er fiel neben seinen Gegner, am ganzen Leib zitternd vor Anstrengung und Schmerzen.
    Unter Schmerzen stützte er sich auf einen Arm, spähte durch das Dunkel und entdeckte auf dem Boden neben dem Mann etwas Weißes, die weiße Brust und den weißen Kopf eines großen Vogels, eines Fischadlers und Dæmons, der gleichfalls bewegungslos am Boden lag. Will machte einen schwachen Versuch, sich von dem Griff zu befreien, der sich nicht gelockert hatte, und auf einmal bewegte der Mann sich wieder.
    Er betastete mit seiner freien Hand vorsichtig Wills rechte Hand. Will sträubten sich die Haare.
    Dann sagte der Mann: »Gib mir deine andere Hand.«
    »Aber passen Sie auf«, sagte Will.
    Die Hand des Mannes fühlte an Wills linkem Arm entlang; sanft tasteten die Fingerspitzen über das Handgelenk und die geschwollene Innenfläche und dann mit größter Vorsicht über die Stümpfe von Wills verlorenen Fingern.
    Die andere Hand ließ sofort los, und der Mann setzte sich auf.
    »Du hast das Messer«, sagte er. »Du bist der Träger des Messers.«
    Seine Stimme war volltönend und rau, aber außer Atem. Will spürte, dass der Mann schlimm verletzt war. Hatte er ihn verwundet?
    Er lag immer noch völlig erschöpft auf dem steinigen Bo  den. Er konnte nur die Umrisse des Mannes sehen, der sich über ihn beugte, nicht sein Gesicht. Der Mann nahm etwas auf, das neben ihm auf dem Boden lag, und wenig später spürte Will, wie er eine Salbe über seine Haut strich und sich von den Stümpfen seiner Finger her eine wunderbar lindernde Kühle in seiner Hand ausbreitete
    »Was machen Sie da?«, fragte Will.
    »Ich heile deine Wunde. Halt die Hand still.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin der Einzige, der weiß, wozu das Messer da ist. Halte die Hand nach oben, so. Bewege dich nicht.«
    Der Sturm blies noch heftiger als zuvor, und ein, zwei Re  gentropfen trafen Wills Gesicht. Er zitterte heftig, hielt aber die linke Hand hoch und stützte sie mit der rechten, während der Mann noch mehr Salbe über die Stümpfe strich und dann eine Leinenbinde um die Hand wickelte.
    Sobald der Verband fest saß, legte der Mann sich schwer atmend hin. Immer noch verwundert über
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