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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer
Autoren: Philip Pullman
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Magische Messer von Cittàgazze. Hast du nie davon gehört, Marisa? Einige nennen es teleutaia machaira, das letzte aller Messer, andere Æsahættr …« »Und was ist daran so besonders, Carlo?«
    »Ah … Das Messer schneidet durch alles … Nicht einmal die, die es gemacht haben, wussten, was es alles kann … Nichts und niemand, nicht Materie, Geist, Engel, Luft – nichts widersteht dem Magischen Messer. Aber es gehört mir, Marisa, verstehst du?«
    »Natürlich, Carlo, versprochen. Lass mich dein Glas füllen …«
    Und während der goldene Affe mit seinen Händen über die smaragdgrüne Schlange fuhr, immer wieder, sanft drückend, streichelnd, liebkosend, und Sir Charles sehnsüchtig stöhnte, sah Lena Feldt, was in Wirklichkeit geschah: Während der Mann die Augen geschlossen hatte, schüttete Mrs. Coulter heimlich einige Tropfen aus einem kleinen Fläschchen in sein Glas, bevor sie es wieder mit Wein füllte.
    »Hier, Schatz«, flüsterte sie, »lass uns aufeinander anstoßen …«
    Der Mann war bereits betrunken. Er nahm das Glas und trank gierig, einmal, zweimal und noch einmal.
    Und dann, ohne jede Vorwarnung, stand Mrs. Coulter auf, drehte sich um und sah Lena Feldt an.
    »Tja«, sagte sie, »dachtest du, ich wüsste nicht, wie ihr euch unsichtbar macht, Hexe?«
    Lena Feldt erstarrte.
    Hinter Mrs. Coulter rang der Mann um Atem. Seine Brust hob und senkte sich heftig, sein Gesicht war rot an­ gelaufen, und sein Dæmon hing schlaff und halb ohnmächtig in den Händen des Affen. Verächtlich schüttelte der Affe ihn ab.
    Lena Feldt wollte ihren Bogen heben, doch eine schreckliche Lähmung hatte ihre Schulter befallen, sie konnte den Arm nicht bewegen. Das war noch nie vorgekommen und sie schrie leise auf.
    »Oh, dazu ist es zu spät«, sagte Mrs. Coulter. »Sieh dich um, Hexe.«
    Lena Feldt drehte sich um und sah, wie ihr Dæmon, eine Schneeammer, aufgeregt flatterte und piepste, wie eingesperrt in einer gläsernen Kammer, aus der die Luft herausgesogen wurde. Flatternd fiel er um, schlug kraftlos auf den Stein, den Schnabel weit aufgerissen und panisch keuchend. Das Gespenst hatte ihn eingehüllt.
    »Nein!«, schrie die Hexe und versuchte zu ihm zu rennen, doch ein heftiger Anfall von Übelkeit hielt sie zurück. Trotz ihres Ekels und Elends bemerkte Lena Feldt, dass Mrs. Coulter offenbar über mehr innere Kraft gebot als alle Menschen, die sie sonst kannte, und sie war nicht überrascht, dass das Gespenst Mrs. Coulter gehorchte: Niemand konnte dieser Autorität widerstehen. Angsterfüllt sah Lena Feldt sie an.
    »Lassen Sie ihn los!«, schrie sie. »Bitte, lassen Sie ihn los!«
    »Wir werden sehen. Ist das Kind bei euch? Das Mädchen Lyra?«
    »Ja!«
    »Und auch ein Junge? Ein Junge mit einem Messer?«
    »Ja – ich flehe Sie an –«
    »Wie viele Hexen seid ihr?«
    »Zwanzig! Lassen Sie ihn los, lassen Sie ihn los!«
    »Alle in der Luft? Oder sind einige am Boden bei den Kindern?«
    »Die meisten sind in der Luft, drei oder vier sind immer unten – ich halte das nicht mehr aus – lassen Sie ihn los oder bringen Sie mich um!«
    »Wie hoch in den Bergen sind sie? Marschieren sie noch oder machen sie Pause?«
    Lena Feldt sagte ihr alles. Sie hätte allen Folterqualen widerstanden, nur dem nicht, was jetzt mit ihrem Dæmon geschah. Als Mrs. Coulter erfahren hatte, wo die Hexen waren und wie sie Lyra und Will bewachten, wollte sie noch etwas wissen.
    »Jetzt sag mir noch eins. Ihr Hexen wisst etwas über Lyra. Ich hätte es fast von einer deiner Schwestern erfahren, aber sie starb, bevor ich mit der Folter fertig war. Jetzt kann dich niemand retten. Sag mir die Wahrheit über meine Tochter.«
    »Sie wird die Mutter sein«, keuchte Lena Feldt, »das Leben – Mutter – sie wird sich auflehnen – sie wird –«
    »Sag mir ihren Namen!«, schrie Mrs. Coulter. »Du sagst al  les, nur nicht das Wichtigste! Sag mir ihren Namen!«
    »Eva! Die Mutter aller! Eva, ja! Mutter Eva!«, stammelte Lena Feldt schluchzend.
    »Ah«, sagte Mrs. Coulter.
    Und sie seufzte tief auf, als ob ihr der Sinn ihres Lebens endlich klar geworden wäre.
    Dumpf begriff die Hexe, was sie getan hatte und Grauen überkam sie.
    »Was wollen Sie tun?«, rief sie.
    »Nun, ich muss sie vernichten«, sagte Mrs. Coulter, »um einen zweiten Sündenfall zu verhindern … Warum habe ich das nicht gleich erkannt? Es war zu gewaltig …«
    Sie klatschte leise in die Hände, wie ein Kind, mit großen Augen.
    »Natürlich«, hörte die wimmernde Lena
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