Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
kaum, den Abzug zu drücken. Alles fiel ihm jetzt schwer. Er musste drei Anläufe nehmen, bevor er es schaffte. Die blaue Uniform torkelte den Hang hinunter.
    Wieder lange Stille. Die Schmerzen verloren allmählich ihre Zurückhaltung. Sie waren wie ein Rudel Schakale, die ihn schnüffelnd umkreisten, immer näher, und er wusste, sie würden ihn nicht mehr verlassen, bis nur noch Knochen von ihm da waren.
    »Einer ist noch übrig«, murmelte Hester. »Er flieht zum Zeppelin.«
    Lee sah ihn verschwommen, einen Soldaten der Kaiserlichen Garde, der gebückt wegrannte.
    »Ich kann niemanden in den Rücken schießen«, sagte er.
    »Aber es wäre eine Schande, mit einer Kugel im Lauf zu sterben.«
    Er zielte also mit seiner letzten Kugel auf den Zeppelin, der immer noch versuchte, mit einem Motor aufzusteigen, und ob die Kugel nun glühend heiß war oder der Wind die Flammen vom Waldbrand hinaufwehte, jedenfalls blühte das Gas plötzlich zu einem orangeroten Feuerball auf, und die Hülle und das Metallskelett hoben sich etwas und taumelten dann ganz sacht nach unten, dem Feuertod entgegen.
    Der fliehende Soldat und die sechs oder sieben anderen, die von der Garde noch übrig waren und nicht gewagt hatten, sich dem Mann am Eingang der Schlucht zu nähern, wurden ‘von dem Feuer verschlungen, das auf sie fiel.
    Lee sah den Feuerball und hörte durch die röhrenden Flammen Hester sagen: »Das waren alle, Lee.«
    Er sagte oder dachte: »Die Armen, sie hätten nicht so en  den müssen, und wir auch nicht.«
    »Wir haben sie zurückgeschlagen«, sagte Hester, »und die Stellung gehalten. Wir helfen Lyra.«
    Und die kleine, stolze, gebrochene Hester drückte sich an sein Gesicht, so fest sie konnte, und dann starben sie.

Blutmoos
     
     

    Weiter, sagte das Alethiometer, und höher hinauf.
    Sie stiegen weiter. Die Hexen flogen über ihnen, um den besten Weg zu erkunden, denn das hügelige Gelände wurde schon bald steiler und der Boden steinig, und als die Sonne hoch am Mittagshimmel stand, befanden sie sich in einer Ödnis ausgetrockneter Wasserrinnen, gezackter Felsen und mit Felsbrocken übersäter Täler, in denen kein einziger Grashalm wuchs und nichts außer dem Zirpen der Insekten zu hören war.
    Sie hielten nur an, um Wasser aus den Ziegeniederflaschen zu trinken, und sie sprachen wenig. Pantalaimon flog eine Zeit lang über Lyras Kopf, doch dann wurde er müde und verwandelte sich in ein kleines, auf seine Hörner stolzes Bergschaf, das trittsicher über die Steine sprang, über die Lyra mühsam kletterte. Will ging mit zusammengebissenen Zähnen weiter, die Augen gegen das grelle Sonnenlicht zusammengekniffen; er achtete nicht auf die immer stärker werdenden Schmerzen in seiner Hand und war schließlich in einem Zustand, in dem allein Bewegung gut war und Stillstand schlecht, so dass er unter den Pausen mehr litt als unter dem anstrengenden Marschieren. Seit die Hexen mit ihrem Zauber, der das Bluten der Wunde hatte beenden sollen, gescheitert waren, hatte er das Gefühl, dass sie vor ihm Angst hatten, als sei er von einem Fluch gezeichnet, der ihre Kräfte über  stieg.
    Einmal kamen sie zu einem kleinen See, tiefblau zwischen den roten Felsen und kaum dreißig Meter breit. Sie machten Rast, um zu trinken, die Flaschen aufzufüllen und die brennenden Füße in dem kalten Wasser zu kühlen. Nach ein paar Minuten zogen sie weiter, und wenig später, als die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte und sengend brannte, kam Serafina Pekkala zu ihnen herunter. Sie schien erregt.
    »Ich muss euch für eine Weile verlassen«, sagte sie, »Lee Scoresby braucht meine Hilfe. Ich weiß nicht warum, aber er würde mich sonst nicht rufen. Geht weiter, ich finde euch …«
    »Mr. Scoresby?«, rief Lyra aufgeregt und ängstlich. »Aber wo –«
    Doch Serafina war bereits weg und verschwunden, noch bevor Lyra die Frage beenden konnte. Lyra griff automatisch nach dem Alethiometer, um es nach Lee Scoresby zu fragen, zog aber die Hand wieder zurück, weil sie versprochen hatte, nichts anderes zu tun als Will zu führen.
    Sie sah ihn an. Er hatte sich in der Nähe gesetzt und die Hand, von der das Blut tropfte, auf sein Knie gelegt. Sein Gesicht war von der Sonne verbrannt, darunter aber bleich.
    »Will«, sagte sie, »weißt du eigentlich, warum du deinen Vater suchen musst?«
    »Das war für mich immer selbstverständlich. Meine Mutter sagte, ich würde das Werk meines Vaters fortsetzen. Mehr weiß ich nicht.«
    »Was soll das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher