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Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Titel: Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
Autoren: Kathleen Bryan
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bekannten Welt. Jenseits davon war alles fremd. Sie war bereit. Sie musste es sein. Es gab keine Wahl. Es war das, für das sie geboren war und für das man sie ausgebildet hatte.

Kapitel 4
    Die Hafenanlage wurde von Felsen umschlossen. Die Insel fiel überall steil ins Meer ab, nur hier im Südwesten zog sich ein langer Bogen schwarzen Sandes sanft bis ans Wasser.
    Das Hafenbecken war tief und geschützt. Selbst während der schlimmsten Winterstürme blieb das Wasser hier ruhig. In den Tagen, als das RomagnaReich noch die Welt regiert hatte, hatten Arbeiter die Seemauer gebaut und eine Kette über die Ausfahrt des Hafens gespannt.
    Die Wand war noch da, ebenso die Kette, eingesunken in den Meeresboden, aber geschützt durch magische Kräfte. Wenn sie jemals gebraucht würde, würde sie hochsteigen und der feindlichen Flotte die Einfahrt versperren. Seit Menschengedenken hatte es keine solche Invasion gegeben. Die alte Hafenstadt war geschrumpft, bis sie zur Hälfte aus Ruinen bestand. Der Rest wurde von behelfsmäßigen Behausungen aus Treibgut überbaut. In den Regierungszeiten der letzten Könige von Lys hatte die Stadt wieder angefangen, zu wachsen und neue Schönheit hervorzubringen.
    Als Averil in der Hafenstadt eintraf, fand sie eine bizarre Mischung aus zerfallener, altertümlicher Bausubstanz und halb fertigen neuen Gebäuden vor. Am östlichen Rand erhoben sich Türme: eine neue Kathedrale des Jungen Gottes. Wie die ganze Stadt, bestand sie zur Hälfte aus Bruchstein und zur Hälfte aus Baugerüsten.
    In den Straßen wimmelte es von Menschen: Handwerker und Maurer, Händler, Seeleute und der ein oder andere Pirat. In ihrem Ring aus bewaffneten Wächtern hörte Averil ein Gemurmel aus verschiedenen Sprachen. Einige waren ihr bekannt, die meisten jedoch nicht.
    Es gab fast keine Frauen. Die wenigen, die sie sah, waren gekleidet wie Dienerinnen, andere lehnten sich aus Fenstern oder standen in Eingängen herum, wobei sie großzügige Blicke auf Brüste und Beine gewährten. Averil war außer sich vor Empörung. Das hier war die Insel der Priesterinnen. Wie konnten diese Kreaturen sie mit ihrer Anwesenheit besudeln? Ihr entrüsteter Blick fiel auf ein paar geschminkte Augen. Aber plötzlich senkte sie beschämt den Blick. Dies waren Frauen wie sie. Wie konnte sie es wagen, ihnen vorzuwerfen, dass sie sich am Leben hielten, so gut sie es vermochten?
    Die vollen Lippen der Hure verzogen sich zu einer zornigen Grimasse, aber ihre Augen waren müde. Averil spendete ihr Trost, so gut sie konnte. Es war nicht viel, da sie zügig an ihr vorbeiritt und kein Brennglas nutzen konnte, um ihre Kräfte zu bündeln, aber es war besser als nichts.
    Sie erhielt keinen Dank. Sie hatte keinen erwartet. Die Tatsache, dass sie es versucht hatte, reichte aus.
    Ihre Eskorte verließ die breite Hauptstraße, die vom Berg herabführte, und bog in eine schmalere Straße ein, an deren Ende sich die im Bau befindliche Kathedrale befand. Auf halber Strecke blieben sie vor einem unscheinbaren Tor stehen. Es gab keinerlei Hinweis darauf, dass es sich um ein bedeutsames Gebäude handelte, bis auf die über dem Torbogen eingeschnitzte Rose. Das Tor öffnete sich. Nur einer der Männer folgte Averil hinein; er hielt ihr Pferd, während sie abstieg, und reichte dem wartenden Stallburschen den Zügel des Maultiers, das ihr spärliches Gepäck auf dem Rücken trug. Dann verbeugte er sich, murmelte ein paar Worte und verließ sie. Sie blieb allein auf dem sonnigen Platz zurück, von dem aus der Lärm der Stadt nur noch entfernt zu hören war. Hier gab es Schutzzauber. Nach einer Weile sah sie, wo sie sich befanden: in den Scheiben des runden Fensters, das zum Tor hinausging, und in ungeschliffenen Glasstücken, die sich scheinbar ungeordnet an der Mauer entlangzogen. Jedes war so platziert, dass es das Licht auf seine eigene, besondere Weise einfing.
    Es war ausgeklügelt und wundervoll gearbeitet, so rein und schön in seiner Schlichtheit, dass es sich um das Werk eines Meisters handeln musste. Dies sagte sie zu dem Mann, dessen Schritte sie hinter sich vernommen hatte. Sein Erschrecken streifte sie mit dem schwachen Geruch nach versengtem Leinen. Sie wandte sich um. Er war ein großer Mann. Sein Haar war noch schwarz, aber sein Bart war schon eisengrau. Er trug Cotte und Hose aus schwarzer Wolle.
    Genau wie das Haus, so war auch seine Kleidung überaus schlicht. Nur die gestickte rote Rose, die seine Tunika zierte, wies ihn als den aus, der er
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