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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Autoren: Kathleen McGowan
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und die Interpretationen unterscheiden sich oft auf dramatische Weise.
    Vieles, was man außerhalb Italiens über die Medici liest, beschreibt sie mit unerfreulichen Begriffen: Tyrannen, Hedonisten und Schlimmeres. Als ich dies kürzlich auf einem Event in Italien erwähnte, stieß ich auf ungläubiges Staunen. In Italien ist Lorenzo de’ Medici der Vater der Renaissance und ein Vorkämpfer für die gemeinsame italienische Sprache. Die meisten Italiener, mit denen ich über dieses Thema sprach, fanden es unbegreiflich, dass die Geschichtsschreibung Lorenzo in einem anderen Licht sehen könne. Seit ich Lorenzos und Cosimos wahre Größe entdeckt habe, bin ich ein glühender Anhänger der Medici. Vermutlich rührt die Verwirrung vor allem daher, dass auf Lorenzo Generationen folgten, die tatsächlich korrupt gewesen sind. Lorenzo wäre sicher entsetzt gewesen, hätte er erleben müssen, wie seine Nachkommen die Grundsätze von Liebe, Schönheit und Anthropos aufgaben, die er und sein Großvater hatten bewahren wollen.
    Ich stieß auf Berichte, dass die Medici »ihre Künstler in Keller sperrten und zum Malen zwangen«; auf der anderen Seite fand ich wundervolle Geschichten über Donatello und Lippi, die Cosimo treu ergeben waren. Ich benutze den Begriff Ergebenheit deshalb, weil er auf Liebe hindeutet: Diese Künstler dienten ihren Förderern nicht nur, sie liebten sie. Donatello hat sogar darum gebeten, zu Füßen Cosimos begraben zu werden, und nunruht er an der Seite seines Gönners in San Lorenzo. Das passt nicht zu einem »ausgenutzten« Genie. Ich verstehe, dass Cosimos oft seltsame Beziehung zu Fra Lippi von der Geschichte falsch interpretiert werden konnte, und habe mich daher bemüht, die Schönheit ihrer Freundschaft hervorzuheben.
    Bei meinen Recherchen fand ich zu meinem Erstaunen heraus, dass Botticelli und Michelangelo in ihrer Jugend in der Familie Medici lebten. Lorenzo adoptierte Michelangelo im Alter von dreizehn Jahren wie einen eigenen Sohn, und der Knabe war seinem Ziehvater stets treu ergeben. Es heißt, Botticelli sei auf ähnliche Weise von Lucrezia und Piero »adoptiert« und als Lorenzos Bruder aufgezogen worden – so, wie ich es dargestellt habe. Diese Theorie wird unter anderem vom britischen Historiker Christopher Hibbert in The Rise and Fall of the House of Medici vertreten. In diesem Buch beschreibt er auch, wie Botticelli den Auftrag erfüllte, die »Madonna del Magnificat« für Lucrezia de Tornabuoni de’ Medici zu malen.
    Die Erkenntnis, dass Michelangelo und Botticelli Mitglieder der »spirituellen Familie« der Medici waren, trieb mich wiederum dazu, Savonarola und seine Wirkung genauer zu studieren. Kunstgeschichtler und Historiker konstatieren, dass Botticelli und Michelangelo zu Anhängern Savonarolas wurden. Das glaube ich keine Sekunde lang. Beide waren den Medici und ihrer Mission ergeben; keiner der beiden hätte sich einem Mann angeschlossen, der Lorenzo vernichten wollte. Ich kann mir gut vorstellen, dass man Savonarola in Florenz anfangs als Prediger willkommen hieß, weil er die Kirche revolutionieren und die Korruption beseitigen wollte, die sich in Rom infolge der Ausschweifungen von Papst Sixtus und der Familie Riario verbreitet hatte. Dann aber entwickelte sich alles zur Katastrophe. Michelangelo soll über Savonarola gesagt haben: »Seine Stimme wird mir in den Ohren klingen bis zu meinem Todestag.« Dieses Zitat wird von Fachleuten dahingehend ausgelegt, dass Michelangelo ein Anhänger Savonarolas gewesen sei. Ich bin anderer Ansicht. Ich glaube, Michelangelohat diese Worte gesprochen, weil er wusste, dass Savonarola Lorenzo vernichtete und alles, was sie gemeinsam zu erschaffen hofften.
    Mir ist bewusst, dass meine Behauptung, Savonarola habe Lorenzos Tod beschleunigt, gewagt ist, aber ich halte es trotzdem für möglich. Und selbst wenn Savonarola nicht Lorenzos Körper vergiftet hat, so vergiftete er dessen Seele. Ich glaube, Savonarolas Stimme verfolgte Michelangelo, weil sie ihn daran erinnerte, dass dieser Mann ihm den Ziehvater und damit seine ursprüngliche Erleuchtung genommen hatte. Der Einfluss Lorenzos und des Ordens ist in der Sixtinischen Kapelle zu sehen, wo Anspielungen auf die Ketzerei im Überfluss zu finden sind. Wer ist die Frau neben Jesus am Tag des Jüngsten Gerichts? Kommt sie Ihnen wirklich wie seine Mutter vor? Und Michelangelo meißelte Maria Magdalena für seine Florentiner »Pietà«, die er für sein eigenes Grabmal schuf. Ich finde,
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