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Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Titel: Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern
Autoren: Catherina Rust
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wunderschön, roch intensiv nach frischem Holz und sah genauso aus wie die Paddel der Erwachsenen, nur war das Blatt ein wenig kürzer und schmaler. »E in eigenes Ruderpaddel für Katarischi«, kommentierte Antonia wohlwollend, während sie mit einem Kochlöffel den siedenden Oloschi -Saft umrührte. Abgekühlt war der Cashewsaft aus dem rotgelben Fruchtfleisch eine willkommene Abwechslung für uns. Er schmeckte so viel besser als das muffige Flusswasser, jeder Schluck war ein Genuss.
    Antonia beugte sich über das Geschenk von Araiba, um es genauer zu begutachten. »A h, feinstes Zedernholz. Das ist wirklich eine gelungene Überraschung!« Natürlich war sie längst in Araibas Vorhaben eingeweiht.
    »S ylvia hat mich bei jeder Gelegenheit daran erinnert, dass es doch schön wäre, wenn du bei unseren Ausflügen auch mitrudern könntest. Du hast wirklich eine starke Fürsprecherin«, sagte Araiba. Meine große Patenschwester, die sich so rührend um mich kümmerte. Die spürte, wenn ich Hunger und Durst hatte, bevor ich es wusste. Die meine Gedanken buchstäblich lesen konnte, die mir mehr eine Schwester denn eine Freundin war. Sylvia, die ich dankbar anstrahlte, tat, als gelte ihr das Lob in keiner Weise. Sie war bescheiden, und vor anderen gelobt zu werden, war ihr peinlich. Ich jedenfalls konnte mein Glück kaum fassen und platzte beinahe vor Stolz. Vorsichtig fuhr ich mit meinen Fingern über das blank polierte Holz. Es glänzte in der Nachmittagssonne, während uns der Karamellduft der Oloschis umwehte.
    Noch am selben Tag liefen Sylvia und ich zum Flussufer und hockten uns auf die Basaltfelsen, die das Wasser über Jahrtausende glatt geschliffen hatte. Die mächtigen Felsen strahlten noch weit bis nach Sonnenuntergang Wärme ab. Tropensonnenwärme, die sie im Laufe des Tages in ihren Granitkörpern gespeichert hatten. An manchen Tagen legten wir uns auf das Felsenbett und ließen uns den Rücken wärmen, bis am Horizont die ersten Sterne auftauchten. Das Himmelszelt schien dann zum Greifen nah, nirgendwo sonst sind die Sterne so schön wie am Äquator.
    Dort zeigte mir Sylvia auf dem Trockenen, wie man das Paddel führen muss. Mit welchem Griff ich es am besten festhielt, damit es nicht von der Strömung fortgerissen wurde. »E in Boot ohne Paddel ist so hilflos wie eine Nussschale«, erklärte sie und schnippte zum Beweis eine Cashewschale ins Wasser. Wie eine Feder drehte sie sich mehrmals um die eigene Achse, bevor sie von der Strömung überspült wurde und vor unseren Augen unterging. Ich musste schlucken und krallte meine Finger so fest um das Paddel, dass die Knöchel hervortraten.
    Wir machten noch ein paar weitere Luftübungen an Land, bevor wir uns in einen der fest vertäuten Einbäume hockten. Sanfte Wellen platschten gegen die Bootswand. Hin und wieder schnappte ein Fisch nach einer Fliege. Eine Schildkröte glitt beleidigt ins Wasser, ganz offensichtlich hatten wir sie bei ihrer Mittagsruhe gestört. Sylvia erklärte mir, man müsse mit dem Paddel eine Art Kreis beschreiben. Die Hälfte des Kreises zeichne das Paddel in der Luft, vollendet werde er unter Wasser. Dabei dürfe ich mit dem Blatt nicht zu tief ins Wasser geraten, sonst könne es von der Strömung fortgerissen werden. Falls man nicht alleine mit dem Boot unterwegs war, musste man außerdem darauf achten, den anderen Paddeln nicht in die Quere zu kommen. »D u musst immer im gleichen Takt wie die anderen paddeln. Ihr müsst eins werden, so wie die Beine eines Tausendfüßlers«, schärfte mir Sylvia mit Nachdruck ein. Ich musste an die Nussschale denken und biss mir vor lauter Konzentration auf die Lippen. Langsam tauchte ich mein Paddel mit einer kreisenden Bewegung ins Wasser. Tong. Und auch bei den nächsten Versuchen ertönte ein dumpfes Tong, immer wieder knallte ich mit dem Paddel gegen die Bootswand. Das war gar nicht so einfach. Sylvia war viel geschickter als ich, bei ihr hörte man nur ein leises gurgelndes Geräusch, wenn das Ruderblatt in die Strömung tauchte. Vor allem aber war Sylvia grenzenlos geduldig, auch nach dem hundertsten »T ong« lächelte sie mich aufmunternd an und korrigierte sanft meine Haltung. Irgendwann schaffte ich es dann, es war, als würde sich das Paddel auf einmal wie ganz von allein bewegen.
    Schon einige Tage darauf bekam ich Gelegenheit, es bei einem Bootsausflug auszuprobieren. Mein Platz war direkt hinter Inaina und Araiba, hinter mir hockten Sylvia und Antonia. Ich bemühte mich, dem Rhythmus
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