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Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Titel: Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern
Autoren: Catherina Rust
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auch europäische Unternehmen beteiligt sind. Zwangsumsiedlungen, Krankheiten und steigende Selbstmordraten unter Ureinwohnern sind Folgen der Zerstörung. Wo vorher Millionen verschiedenster Pflanzen- und Tierarten lebten, entstehen Großbaustellen und wild wuchernde Städte.
    Die indigenen Völker werden zu Zuschauern der Zerstörung degradiert, ohnmächtig müssen sie mitansehen, wie die Hauptschlagader ihres Lebensraums, der Amazonas, durchtrennt wird.
    Die Missionierung und Unterwerfung ihrer einzigartigen Kultur hat ehemals stolze, freie Völker abhängig gemacht. Kontrollierbar, empfänglich für die Versprechen der Zivilisation, die sie früher oder später ins Verderben stürzten. Völker, die früher selbstbewusst und mit geeinter Stimme sprachen, werden gegeneinander aufgehetzt und ausgespielt – wer seinen Grund und Boden veräußert, der hofft vergeblich auf Wohlstand. Anstelle von Einigkeit und Zusammenhalt sprießen Misstrauen und Zwietracht, Habgier und Eifersucht. Dass die indigenen Völker mit der Aufgabe ihres ureigenen Bodens und ihrer Heimat gleichzeitig ihre Kultur verlieren, wird von Politik und Wirtschaft stillschweigend übergangen. Ungeachtet dessen, dass der Urwald eigentlich den Indianern gehören müsste, locken sie mit trügerischen Versprechen. Auf die Fragen, was später mit den verödeten, verdreckten und vergifteten Landschaften passieren soll und wovon die Menschen dann noch leben sollen, darauf geben sie keine Antwort.
    Der Urwald ist zum Selbstbedienungsladen unserer Wachstumsgesellschaft geworden. Dabei vernichtet seine Zerstörung mehr als nur ein unwiederbringliches Naturparadies. Stirbt der Regenwald, heizt sich unsere Erde weiter auf, werden Stürme und Überschwemmungen der Welt millionenfaches Elend und Leid bescheren.
    Es gibt Tage, an denen ich niedergeschlagen bin, weil mir bewusst wird, dass sich dieser Prozess kaum noch aufhalten lässt. Der Kampf einer verschwindend kleinen Gruppe von mutigen Forschern, Umweltschützern und Menschenrechtsaktivisten gegen die geballte Macht internationaler Konzerne gleicht dem Kampf Davids gegen Goliath. Dem Hunger nach globalem »F ortschritt«, dem Streben nach Profit ist nur wenig entgegenzusetzen, zumal, wenn man nur an Verantwortung und Vernunft appelliert.
    Ich habe keine Patentlösungen parat, wie der Urwald noch zu retten ist. Doch ich glaube an die Macht mündiger Konsumenten, die durch bewussteres Verhalten zu einem Umdenken beitragen können. Was sich nicht verkauft, wird irgendwann nicht mehr produziert werden. Rohstoffe, die keinen Abnehmer finden, werden nicht mehr abgebaut. Wer einmal gesehen hat, unter welch katastrophalen Bedingungen Gold am Amazonas geschürft wird, dürfte seinen Schmuck mit anderen Augen betrachten.
    Dennoch sind wir immer noch weit davon entfernt, dass aus der kritischen Haltung Einzelner eine Bewegung würde, die unsere ganze Gesellschaft zum Umdenken bringen könnte. Und selbst dann stellt sich die Frage, ob dieser Paradigmenwechsel nicht viel zu spät käme.
    Wenn ich an die Völker meiner Kindheit denke, dann schwanke ich zwischen Hoffnung und Resignation. Uraltes indianisches Wissen ist vielerorts verschüttet. Was nicht heißt, dass es sich nicht wieder freilegen ließe. Wer vermag schon mit Sicherheit zu sagen, dass sich künftige Generationen nicht wieder verstärkt auf ihre Wurzeln zurückbesinnen? Und unserer wachstumsgläubigen Gesellschaft endlich beweisen, dass wir mehr von den Urvölkern lernen können als sie von uns.
    Wenn ich an den Urwald denke, an das Paradies meiner Kindheit, dann frage ich mich, wie hoch der Nutzen kurzfristiger Ausbeutung und Zerstörung sein kann – verglichen mit dem Potenzial, das ein intakter Regenwald bietet. Was wäre, wenn es gelänge, den Amazonas als Klimamaschine und größten Wasserspeicher unserer Erde zu erhalten? Die Regenwälder mit ihrer unschätzbaren Artenvielfalt zu schützen? Die meisten Heilpflanzen sind noch nicht einmal annähernd bekannt. Renommierte Ethnobotaniker bauen seit Langem darauf, dass der Schlüssel zur Heilung vieler Zivilisationskrankheiten wie Krebs und Aids im Urwald liegen könnte. Klimaforscher rechnen vor, dass es keinen preiswerteren und nachhaltigeren Weg zur Vermeidung der weltweiten CO 2 -Emissionen gibt, als der Zerstörung der Urwälder Einhalt zu gebieten.
    Schneller Profit mit kurzfristigen Renditen und danach ökonomischer Absturz, menschliches Elend und ökologische Apokalypse? Oder langfristige
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