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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod
Autoren: Lena Falkenhagen
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nicht so sehr wie Marike, doch immerhin ließ der Alte ihn bei sich im Keller wohnen, ohne dafür etwas zu verlangen. Felix kannte das gar nicht, etwas geschenkt zu bekommen – sein Vater hatte ihn gelehrt, dass man sich verdienen musste, was man haben wollte.
    »Hmhm«, stimmte der alte Herr Pertzeval abwesend zu.
    Felix war es zufrieden. Er freute sich darauf, Marike wiederzusehen, die ihn immer so lieb anlächelte und niemals schimpfte. Zwar war sie in letzter Zeit sehr traurig gewesen, doch das würde sich auch wieder ändern. Auch er war sehr traurig gewesen, und ein wenig war er das noch. Doch Marike hatte versprochen, dass es besser wurde, und das stimmte auch. Vielleicht war es etwas anderes, das selbst zu hören? Vielleicht hätte er ihr das auch sagen sollen? »Das mach’ ich noch«, murmelte er vor sich hin und fuhr sich mit dem Ärmel über die schniefende Nase.
    Endlich waren sie bei der großen Marienkirche angelangt, die Felix bislang niemals von innen gesehen hatte. Sein Vater hatte immer gesagt, dass dies die Kirche der großen Leute aus Lübeck ist, die sich um nichts Sorgen zu machen brauchten außer um das Herrschen, und die sich um so kleine Leute wie sie nicht kümmern würden. Der Bube fischte sich nachdenklich einen Krümel aus der Nase und steckte ihn in den Mund. Er sah sich um, ob Marike vielleicht schon hier war, doch sie war nirgends zu sehen. Stattdessen zog ihn Vater Pertzeval an der Hand mit in die kühle Kirche hinein, in der es gleich viel dunkler war als draußen.
    Gespannt starrte der Junge dem alten Mann auf die Finger, als er einen schlichten Metallzinken aus der Tasche holte und damit ein Schloss öffnete. Eine Tür teilte von dem Raum, in dem sie standen, eine kleine Kapelle ab. Ein kurzer Blick rundum zeigte Felix, dass dunkles Holz an der Wand zum Sitzen einlud und darüber schaurige Bilder von Toten und Lebenden hingen. Doch bevor er einen genaueren Blick darauf werfen konnte, zog ihn der Alte schon in die kleine Kapelle hinein, die immerhin so groß war wie die Dornse in der Bude seines Vaters. Auf dem Altar waren Schalen, Kerzen und ein Holzbuch neben einer Statue aufgestellt. Das Holzbuch erweckte seine Neugier.
    »Setz dich, Kleiner«, grunzte der Mann hustend und drückte Felix mit dem Rücken zum Altar auf eine Kniebank. Er ging noch einmal hinaus und kam mit einem brennenden Span wieder, an dem er die Kerzen entzündete, dann rührte er in einem Kelch ein Getränk an.
    »Hier, trink das.«
    Felix ergriff den Kelch. »Was ist das?«
    »Milch«, hustete der Mann. »Trink einfach.«
    »Sie riecht komisch.«
    »Das ist komische Milch. Trink jetzt.«
    Der Junge schnupperte an der Milch, die irgendwie eigenartig roch. Er wusste ja nicht genau, was für Milch diese hohen Leute so tranken.
    »Huch!« Der Kelch rutschte ihm aus den Fingern. Doch Felix hatte geschickte Finger, er rettete den Kelch, bevor er herunterfiel und kaputtging. Ein Teil der Milch jedoch war auf den Boden gekippt. Er richtete das Gefäß wieder gerade, denn er wollte den Vater von Marike ja nicht böse machen! Also setzte er den Kelch an seine Lippen und trank den restlichen Inhalt, auch wenn der Geschmack wirklich eigenartig war.
    »Braver Junge«, grunzte der alte Mann neben ihm und lächelte zum ersten Mal.
    Wenn er ein braver Junge war, dann würden ihn die Pertzevals vielleicht nach der Pest nicht fortschicken. Und brave Jungen lächelten. Also lächelte Felix zurück.
    »Erzähl mir mal, wie du im Keller allein so zurechtkommst, seit der alte Willem tot ist«, fragte der Mann.
    Felix dachte nicht gerne daran zurück. Er hatte den grummeligen, aber freundlichen Bettler auf dem Hof gefunden. Alles war voll Blut gewesen. Langsam fragte Felix sich, ob es etwas mit ihm zu tun hatte, dass alle Leute, die er mochte, starben. »Ganz gut«, murmelte der Junge, und musste gähnen. Das Licht hier war nur schlecht, doch er hatte den Eindruck, dass es langsam immer dunkler wurde. Er lehnte sich an die Wand der Kapelle und ließ den Pertzeval über sich mit den Schalen und Fläschchen klappern. »Is”n bisschen komisch«, fügte er dann schläfrig an. »So ohne Will’m.«
    »Ah-hah«, machte der Mann und schielte zu ihm hinunter. »Bist du müde?«
    »Hmhm«, summte Felix bestätigend. Wieder zerriss ihn ein Gähnen. »Könn’n wir nach de’ Kirch’ was essen?«
    »Bist du denn hungrig?«, erklang die Stimme von Johannes Pertzeval aus der Ferne.
    »Ja«, hauchte der Knabe. Doch das Gefühl des Hungers in
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